Die Eingeschworenen Raubzug
wirbelnde Bewegung wie von einem Dreschflegel.
Es war Storchenbein, der sich in blinder Wut auf den Schildwall zubewegte und links und rechts, stahlblitzend und brüllend, den Tod austeilte. Die Männer wussten nicht, wie ihnen geschah, und ihr Schildwall gab fast sofort nach. Im nächsten Moment hatte Storchenbein sich zwischen sie geworfen, hauend, beißend, kreischend und stechend.
»Rudert, ihr Hurensöhne!«, brüllte mein Vater und die Ruderer, schwer atmend und von Panik erfüllt, tauchten ein und zogen, tauchten ein und zogen.
Das Segel fuhr knatternd nach oben, füllte sich mit Wind und das große, schlangenartige Langschiff glitt in die Nacht hinaus, fort vom Ufer, wo Schwerter auf und nieder gingen und eine Gruppe von Männern wie knurrende Hunde sich hauend und stechend hin und her wälzte.
Ein paar wenige versuchten, uns einzuholen, aber Großnase und Steinthor schossen auf sie, und obwohl ihre Sehnen nass waren und die Pfeile danebengingen, gaben die Verfolger schließlich auf.
Wir glitten in die Dunkelheit, nahmen an Fahrt auf, bis das Ufer im Dunkel verschwand und nur noch das Feuer von Starkads Leuten als kleiner roter Punkt zu sehen war.
Doch noch immer gellte uns das Kreischen von Storchenbein in den Ohren, und solange wir es hörten, war
er auch nicht gestorben, sondern kämpfte und wütete für alle Zeit dort an der Küste Kareliens.
Die Ruderer waren nach kurzer Zeit völlig erschöpft und mussten aufgeben. Unter Aufbietung der letzten Kräfte holten sie die Riemen ein. Ein paar von ihnen schliefen an Ort und Stelle im Sitzen ein. Doch nicht nur sie, wir alle fielen in einen todesähnlichen Schlaf, selbst Einar.
Nur Ketil, Illugi und Valgard wechselten sich ab und wachten, übernahmen das Ruder des stolzen Langschiffs und suchten anhand der Sterne einen ungefähren Kurs, bis mein Vater sich genügend erholt hatte, um die Sache wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Die Ereignisse der vergangenen Stunden verfolgten mich. Ich lag in einer Art von Halbschlaf und hörte wieder das Kreischen von Storchenbein, sah den überraschten Ausdruck in Skaptis Gesicht, dachte an Ulf-Agar und seinen Hass auf mich, der ihm das Leben gerettet hatte.
Im Morgengrauen waren wir weit draußen auf dem Meer, die See ging ruhig und man hörte das gleichförmige Rauschen der Bugwelle. Ein kalter, klarer Tag brach an. Langsam wachten die Eingeschworenen auf, reckten ihre steifen Glieder und so manch einer schien erstaunt, dass er noch da war.
Und dann sahen wir, was wir erobert hatten.
Sie war vollkommen. Vom eleganten, reich mit Schnitzwerk verzierten Schwanenhals an Bug und Heck, über die grau gestrichenen Planken des Rumpfes, bis hinauf zum großen Bauch des Segels, das aus Tuchen in drei Farben zusammengenäht war – rot, weiß und grün –, sodass das Schiff aussah wie ein farbenfrohes Banner, und es pflügte durch die Wogen und durchschnitt sie wie eine Klinge.
Überall sah man Verzierungen, selbst in die Ruderblätter waren Pfeilmuster geschnitzt, damit sie mehr »Biss« bekamen, wie man mir erklärte. Es gab einen Unterstand aus geschnitzten und bemalten Holzwänden für den Steuermann, und das Steuerruder trug ein geschnitztes Wirbelmuster für einen besseren Halt. Und die Wetterfahne war aus Gold. Rurik sagte zwar, nein, nur vergoldet, aber niemand hörte hin. Sie war aus Gold. Konnte gar nichts anderes sein auf diesem herrlichen Schiff.
Und das war noch nicht alles: Die Mannschaft hatte die Seekisten an Bord gelassen. Es gab Kleidung und Schmuck und Geld und Rüstung und Waffen. Es gab Ringe und Tischmesser und Umhänge mit Pelzkragen, denn dies war das Schiff von Blauzahns Dreng – seinen treuesten Gefolgsleuten – , und für die war das Beste gerade gut genug.
Wir fanden einen weiteren großen Stoffballen, zu klein für ein Segel, aber mit Streifen in denselben Farben, und mein Vater erklärte, dass man daraus ein Zelt errichten konnte, wenn das Schiff vor Anker lag.
Es gab Fässer mit Stockfisch, gesalzenem Hammelfleisch und Wasser. Auf dem kleinen Frachtdeck gab es sogar eine Feuerstelle, aus Ziegeln gemauert und mit einem Eisengrill, sodass wir warme Mahlzeiten zubereiten konnten, ohne anzulegen oder auch nur die Geschwindigkeit zu drosseln.
Das Einzige, was uns fehlte, waren die geschnitzten Stevenköpfe, die wahrscheinlich mit an Land genommen worden waren, wie es der Brauch wollte.
»Bei der ersten Gelegenheit, Jungs«, versprach Einar, als wir die Schätze unter uns
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