Die Eingeschworenen Raubzug
umklammerte. Für einen Moment fürchtete ich, sie würde versuchen, mich mit dem Schaft, der noch daran war, zu erstechen. Doch dann wandte sie sich von mir ab und rannte mit fliegenden Röcken die Straße hinunter.
Als sie an Illugi Godi und Olga vorbeikam, drehten die sich nach mir um. Vermutlich glaubten sie, ich hätte Hild irgendwie beleidigt.
Kurz darauf, als wir an das Seetor der Stadt kamen, steckte Olga den Beutel mit Geld ein, Storchenbeins Anteil, den Illugi ihr gegeben hatte, nahm ihre Kinder an die Hand und ging davon. Illugi Godi trat zu mir und machte eine Kopfbewegung in die Richtung, aus der ein rauer Gesang zu uns herüberwehte, Großnase dichtete Verse für eine Skaldensage über die Toten vom Berg der Schmiede. »Solltest du nicht auch bei ihnen sein?«
»Ich soll mich ja um Hild kümmern«, erwiderte ich mürrisch.
Er lachte. »Mir scheint, unsere gefangene Prinzessin will gar nicht, dass sich jemand um sie kümmert«, meinte er. »Was ist denn zwischen euch vorgefallen?«
»Nichts«, entgegnete ich. Dann seufzte ich. »Ich verstehe die Frauen nicht. Na ja, zumindest diese hier verstehe ich nicht. Erst scheint sie mich zu mögen, und im nächsten Moment sieht es aus, als ob sie mich am liebsten mit ihrer komischen Lanze durchbohren würde.«
»Sie ist in der Tat ein rätselhaftes Wesen«, stimmte Illugi zu, »selbst wenn man ihr bisheriges Wyrd in Betracht zieht.«
»Mehr als rätselhaft«, sagte ich nachdenklich, »wenn ich daran denke, wie sie am Anfang nur ihr sonderbares Finnisch geplappert hat, wie ein Kind. Wenn es hochkam, habe ich jedes fünfte Wort verstanden. Irgendein Geheimnis umgibt sie, und wie es scheint, wurde es seit Ewigkeiten von der Mutter an die Tochter weitergegeben. Aber sie selbst hat keine Tochter. Und Vigfus hat sie so übel behandelt, dass sie offenbar nicht mehr ganz richtig im Kopf ist. Ich glaube, wir müssen uns jetzt mehr vor ihr fürchten denn je.«
»Ja«, sagte Illugi nachdenklich. »Und wie sie immer den Lanzenschaft an sich drückt, wie ein Kind seine Puppe.«
Wir kamen in die Stadt und liefen auf den Holzstegen zwischen den eng aneinanderstehenden Häusern weiter.
»Martin der Mönch erzählte mir, dass er das Mädchen durch die Schriften dieses Otmund gefunden hatte«, fuhr er fort, »du erinnerst dich, den sie zum Heiligen gemacht haben. Er schrieb über die Dorfbewohner und über das, was sie glauben. Einige von ihnen hat er bekehrt.«
»Wenn das stimmt, war er ein mutigerer Mann als ich, denn ich hätte mit niemandem aus Koksalmi einen Streit
um den richtigen Glauben anfangen mögen. Zumindest nicht ohne einen Kampftrupp hinter mir.«
Illugi lachte, aber es klang bitter. »Mutig oder dumm«, sagte er nachdenklich. »Die Nichtbekehrten jagten ihn und seine Anhänger davon, denn sie wussten, es würden noch mehr von der Sorte kommen, um sie mit ihren Lügen zu verführen. Der weiße Christus gewinnt immer mehr an Einfluss.«
Ich sah ihn an und merkte, dass er sich Sorgen machte. Doch dann lächelte er.
»Aber Martin der Mönch glaubte, das Mädchen würde ihn irgendwie zu dem großen Schatz führen, da sie eine Verbindung zu dem Schwert hat, das ihr Vorfahr für Attila geschmiedet hat. Und da entschied er, dass der Stein nicht so wichtig ist.«
»Martin ist eine Ratte«, sagte ich voller Abscheu, »dem würde ich nicht mal glauben, wenn er mir sagt, dass ein Hund krumme Hinterbeine hat. Und im Übrigen ist die Sache mit Attilas Schatz ein Ammenmärchen.«
»Nun«, antwortete Illugi, »nur zum Teil. Als Attila tot war – der im Übrigen nie in einer Schlacht geschlagen wurde, was man dem sagenhaften Schwert zuschrieb –, trugen seine Männer ihn hinaus in die Steppe und begruben ihn unter einem Berg von Silber, das er in all seinen Eroberungsfeldzügen erbeutet hatte. Man sagt, der Berg sei so hoch, dass auf seinem Gipfel Schnee liegt.«
Wir schwiegen und versuchten beide, uns einen Reichtum von diesem Ausmaß vorzustellen, aber es war zu viel und mir wurde schwindelig davon, was ich Illugi auch sagte.
»Das ist verständlich«, sagte er. »Martin, dieser Christenpriester, scheint all das zu glauben. Aber du hast recht
damit, dass man ihm nicht trauen sollte. Er wollte Lambisson mit falschen Plänen hinters Licht führen, indem er ihm von dem Gottesstein erzählte. Vielleicht will er sich den Schatz ja selbst holen.«
Ich schüttelte den Kopf. Schätze dieser Art interessierten Martin nicht, das wusste ich. Was er wollte, war die Lanze
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