Die Einheit: Thriller (Tokio Killer) (German Edition)
Laderaum. Die Futons halfen, aber Dox hatte recht gehabt: Wenn die Sonne hoch am Himmel stand, war es da hinten wie in einer verdammten Sauna, und es gab keine praktikable Abkühlungsmöglichkeit. Wir überlegten, Säcke voll Eis zu kaufen, entschieden uns aber dagegen. Wir wollten nicht riskieren, dass abfließendes Schmelzwasser die Aufmerksamkeit einer Verkehrsstreife erregte.
Später hielten wir bei einem Starbucks, wo ich mich in das kostenlose WiFi einklinkte, um das sichere Bulletin-Board abzufragen. Halb erwartete ich eine Nachricht von Horton, der das Unerklärbare zu erklären versuchte. Aber inzwischen musste ihm klar geworden sein, wie sinnlos das unter den Umständen war. Er hatte uns benutzt und dann versucht, uns abzusägen wie die losen Enden, die wir jetzt darstellten. Wir wussten, er würde es wieder versuchen, und er wusste, dass wir ihn vorher auslöschen wollten. Der Spielstand war so eindeutig, dass jedes weitere Wort sinnlos gewesen wäre, geradezu absurd.
Kanezaki aber hatte eine Nachricht geschickt. Er beschrieb den Anschlag auf das Weiße Haus, den die Medien nach den ersten, wirren Berichten mehr oder weniger korrekt darstellten. Und er sagte, dass die NSA angeblich Botschaften über weitere Anschläge abgefangen hätte. Es gab Gerüchte, dass der Präsident einen massiven Gegenschlag in Erwägung zog. Kanezaki wollte, dass ich ihn zurückrief, aber ich schrieb, dass das nicht möglich war, erst in ein oder zwei Tagen. Nach dem Hinterhalt im Hotel lief meine Paranoia auf Hochtouren. Vielleicht war es Horton gelungen, genügend Daten von den Überwachungskameras am Flughafen und Satellitenaufnahmen zusammenzutragen, um uns bis zum Hilton zu verfolgen. Schließlich hatte er unsere Ankunft in der Stadt erwartet. Falls ja, und wenn er nach dem Hotel unsere Spur verloren hatte, waren wir trotz aller Technologie der Welt jetzt die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen. Deshalb wollte ich nicht das geringste Risiko eingehen, über einen Anruf so weit westlich lokalisiert zu werden, wodurch der Gegner unser Bewegungsmuster vorhersagen könnte. Vielleicht erriet Horton sogar unser endgültiges Ziel und die Absichten, die wir dort hegten.
Am Nachmittag des zweiten Tages saß Treven am Steuer, während ich Beifahrer spielte. Die meisten Straßen waren unheimlich leer, aber gelegentlich wurde die Ruhe durch eineentgegenkommende Militärkolonne durchbrochen, nach deren Verschwinden das Fehlen jeglichen Verkehrs noch gespenstischer war.
Ich stellte Treven dieselben sicherheitstechnischen Fragen wie Dox, gewann aber keine neuen Einsichten. Wenn er etwas zu verbergen hatte, machte er das gut. Er erzählte mir ein wenig von sich. Hatte sich seine Sporen in Mogadischu verdient. War auf der Karriereleiter vom Fallschirmjäger über die Spezialeinsatzkräfte zur ISA aufgestiegen. Zweifellos ein sehr kompetenter Mann, das bewies sein Lebenslauf. Und ich hatte ihn im Hotel ja auch in Aktion erlebt. Trotzdem fühlte ich mich ihm nicht so verbunden wie mittlerweile Larison. Bei Larison spürte ich inneren Aufruhr, aber auch Zielstrebigkeit. Bei Treven hatte ich eher den Eindruck von … Verwirrung. Und Kompensation. Wofür, wusste ich nicht.
Wir hörten gerade einen Sender mit Countrymusik, als wie am Tag zuvor die routinierte Glätte in der Stimme des Moderators von dramatischer Erregung abgelöst wurde.
»Nach dem gestrigen Anschlag auf das Weiße Haus«, sagte er, »erreicht uns soeben eine weitere schreckliche Meldung. Ein Selbstmordanschlag hat die Mall of America in Minneapolis erschüttert. Laut ersten Berichten rammte ein Lastwagen das Gebäude und brachte es teilweise zum Einsturz. Ich weiß, Sie können es nicht sehen, wir sind ja im Radio, aber ich betrachte gerade das Video, und ich muss Ihnen sagen, mein Gott, oh mein Gott, es ist unbeschreiblich. Es ist wie eine Wiederholung der Twin Towers … Leute, es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber das gestern war keine Einzeltat. Es muss koordiniert sein. Wir können nur beten, dass die Regierung etwas zu unserem Schutz unternimmt.«
»Heilige Scheiße«, sagte Treven, das war alles, mehr gab es nicht zu sagen. Wir fuhren grimmig weiter, lauschten auf mehr und fürchteten, wir würden es zu hören bekommen.
Kurz vor Memphis war es so weit. Zwei weitere Selbstmordanschläge: Einer auf ein Spiel der Giants im AT & T-Park in San Francisco, der andere auf eine Kirche in Lubbock, Texas. Zahlreiche Tote. Blutrünstige Beschreibungen der Opfer,
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