Die einsamen Toten
Öffentlichkeit, oder? Hätte ich mit der eine Wette laufen, würde es anders aussehen.«
»Na, dann einen halben Punkt.«
»Von wegen.«
»Pst!«
»Neil Grangers Familie und Freunde sind außer sich vor Trauer«, sagte Chief Inspector Kessen soeben, »und jeder, der ihn kannte, wird Kummer und Verzweiflung über das Geschehene empfinden.«
»Vier. Und fünf«, trumpfte Murfin auf. »Braver Junge. Und jetzt bitte einen rasanten Endspurt.«
»Was das Motiv betrifft, sind wir noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen.«
»Nein«, sagte der Constable, »das gilt nicht.«
»Hm.«
»Aber wir appellieren an alle, die Freitagnacht oder am frühen Samstagmorgen in der Nähe des Withens Moors waren, sich bei uns zu melden.«
»Ich hoffe, Sie werden mich nicht enttäuschen, Sir«, sagte Murfin. »Es geht immerhin um ein Bier.«
»Diesmal wird er es sich verkneifen«, meinte einer der Constables. »Rück schon mal dein Geld raus, Gavin.«
»Ein junger Mann ist tot.«
»Ja! Ich wusste, du kannst es. Oh, mein Bester! Was für ein Finale! Detective Chief Inspector Oliver Kessen tritt vor die Kameras, um über die Fortschritte der polizeilichen Ermittlungen im Mordfall des zweiundzwanzigjährigen Neil Granger zu berichten: ›Ein junger Mann ist tot‹, sagt Mr Kessen. Was für ein Genie!«
»Wir sind der festen Überzeugung, es mit einem Täter zu tun
zu haben, der vor weiterer Gewaltanwendung nicht zurückschreckt.«
»Halt, das ist Nummer sieben.«
»Ach, Mist. Blöder Kerl. Wieso hat er nicht aufgehört, solange er noch gewinnen konnte?«
»Du meinst, solange du noch gewinnen konntest.«
»Sieben. Wer hatte sieben?«
»Keiner.«
»Keiner hatte genügend Vertrauen in den Burschen. Wer hätte gedacht, dass er es schafft, siebenmal Blabla in einer Minute von sich zu geben?«
»Hatte er eigentlich vorher schon mit den Medien zu tun?«, fragte Cooper.
»Keine Ahnung, Ben. Aber wenn er so weitermacht, wird er nicht mehr oft Gelegenheit dazu haben. Wenn die Zentrale auf etwas Wert legt, dann dass die höheren Chargen ein gutes Image bei den Medien haben.«
»Was ist mit dem Verbindungsofficer zu den Medien?«
»Dan Simmons?«
»Ja, mit dem.«
Murfin seufzte. »Keine Ahnung. Aber wir machen uns mal besser wieder an die Arbeit. Ich denke, wir haben es mit einem Täter zu tun, der vor weiterer Gewaltanwendung nicht zurückschreckt, oder so.«
Als Diane Fry endlich an ihren Schreibtisch zurückkehrte, war der Rest des Kripoteams bereits dabei, in den Feierabend zu verschwinden. Sie bemerkte kaum, dass die anderen gingen, während sie sich auf die Website der National Missing Persons Helpline einloggte und sich die Fotos der Vermissten ansah. Ironischerweise war Emma Renshaw unter den jüngsten Neuzugängen. Die anderen Fälle bedrückten Fry sehr. Es war wirklich eine deprimierende Lektüre, von der sie sich dennoch nur schwer losreißen konnte.
Da war Kevin, der 1986 im Alter von sechzehn Jahren verschwunden war. Er war aus dem Haus gegangen, um für eine Kochprüfung in der Schule am folgenden Tag ein paar Eier zu kaufen. Zuvor hatte er noch gebadet und seine Taschen ausgeleert, so dass er nur ein Pfund bei sich hatte, um die Eier zu bezahlen, und nicht mehr. Seitdem war Kevin nicht mehr gesehen worden.
Dann war da Dan aus einem Dorf in der Nähe von Southhampton. Er war erst vierzehn, aber der Älteste von fünf Kindern. Er war zuletzt im Januar 2002 gesehen worden, nachdem er den Abend mit ein paar Freunden beim Angeln verbracht hatte. Ein Erwachsener meinte, Dan noch später an diesem Abend auf dem Dorfplatz gesehen zu haben, aber er kehrte nie mehr nach Hause zurück.
Und dann war da der Fall von Carly, sechsundzwanzig, die im November 2001 aus Sheffield verschwunden war. Sie war gerade von einer Auslandsreise zurückgekehrt und dabei, ihre Sachen zu sortieren. Als ihre Mutter nach Hause kam, sah es so aus, als sei Carly nur mal schnell um die Ecke gegangen. Sie hatte, außer ihren Schlüsseln, nur wenig mitgenommen. Auch sie kam nie zurück.
Fry lehnte sich zurück und starrte auf die Fenster des Büros der Kriminalpolizei, ohne etwas zu sehen. Noch vor einiger Zeit hätte auf dieser Fotogalerie vermisster Kinder auf der Website von NMPH auch das von Angela Fry gestanden, sechzehn, zuletzt gesehen in Warley, West Midlands.
1988, als Angie das Haus ihrer Pflegeeltern verlassen hatte, in dem sie damals lebten, war Diane vierzehn Jahre alt gewesen. Es war das Jahr der
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