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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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Arme voller Akten und obendrauf etwas, das wie ein Fotoalbum aussah. Sie wirkte reserviert, aber das war es nicht, was Cooper am stärksten auffiel, als er sie genauer betrachtete. Er ertappte sich dabei, dass er automatisch nach Ähnlichkeiten mit ihrer Schwester suchte. Sicher, die schmalen Schultern und das glatte, blonde Haar. Aber da war noch etwas anderes, ein gewisser Ausdruck in ihren Augen, den er nicht sofort einordnen konnte.
    Fry strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Noch eine vertraute Geste.
    »Stimmt was nicht?«, fragte sie. »Warum starrst du mich so an?«
    »Äh … nichts.«
    »Wie du meinst. Ben, ich hätte gern, dass du dir das hier mal ansiehst. Sag mir, was du davon hältst.«
    »Was ist das?«
    »Das ist Sarah Renshaws Sammelalbum. Sie hat es mir ausgeliehen, weil sie ein neues angefangen hat.«
    Mrs Renshaw hatte ein dickes Album mit Zeitungsausschnitten angelegt, zum größten Teil Berichte über vermisste Kinder und Jugendliche, die zu ihren Familien zurückgekommen waren, manche erst nach vielen Jahren. Es waren auch Artikel über junge Menschen darunter, die in verschiedenen Städten auf der Straße, in besetzten Häusern oder in den provisorischen Zeltlagern von New-Age-Anhängern und Umweltschützern lebten.
    Es waren Dutzende von Ausschnitten, und Cooper staunte über die Bandbreite der ausgewählten Printmedien. Alle landesweit erscheinenden Publikationen waren darunter, alle Boulevardblätter und alle seriösen Zeitungen. Auch aus Schottland und aus Yorkshire und den Midlands waren lokale Wochenzeitschriften vertreten, im Grunde genommen aus ganz Großbritannien. Einige der Artikel waren Kopien von Websites ausländischer, überwiegend amerikanischer Zeitungen. Cooper konzentrierte sich auf einen Ausdruck aus dem Milwaukee Journal Sentinel . Darin war von einem jungen Mädchen die Rede, das bei einem Autounfall auf dem Highway 54 verletzt und bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert worden war. Die Polizei in einem Ort namens Oneida stand nun vor der Aufgabe, das Opfer zu identifizieren, und bat die Bevölkerung um Mithilfe. Die Telefonnummer war mit blauer Tinte umrandet. Cooper vermutete, dass die Polizisten in Oneida mittlerweile
einen Anruf von Sarah Renshaw erhalten hatten. Er hoffte, dass sie verständnisvoll mit ihr umgegangen waren.
    Als Nächstes sah Cooper sich die Daten auf den Zeitungsausschnitten an. Die frühesten Artikel stammten aus der Zeit kurz nach Emmas Verschwinden, bezogen sich in der Hauptsache aber auf lokale Ereignisse und lagen Wochen auseinander. Je mehr das Album sich füllte, desto näher rückten die Daten zusammen und desto internationaler wurden die Quellen. Die letzten Seiten waren schließlich angefüllt mit täglich aus dem Internet ausgedruckten Storys.
    Das Album gewährte Cooper einen Blick in die Welt der Sarah Renshaw, der ihn betroffen machte. In dieser Welt schien Emma vor zwei Jahren als einzelne Vermisstenmeldung in North Derbyshire angefangen zu haben, ehe sie sich im Lauf der Monate vervielfacht hatte. In verschiedenen Inkarnationen hatte sie sich über den ganzen Globus ausgebreitet und wie eine Armee geklonter Emmas oder wie ein wucherndes Virus in unkontrollierbarer Geschwindigkeit die Welt überschwemmt.
    Diese multiplen Emmas hatte es an alle möglichen Orte verschlagen, manche verloren und anonym, andere hungrig oder verletzt, allein oder endlich wieder mit der Familie vereint. Und Sarah Renshaw hatte Stunden am Computer zugebracht und ihre Spuren verfolgt.Vielleicht waren ihre Bemühungen immer verzweifelter geworden, als ihr klar wurde, wie viele es waren und wie schnell sich das Virus verbreitete, mit dem sie Schritt zu halten suchte. Täglich wurden mehr junge Menschen vermisst, als man sich vorstellen konnte.
    Cooper klappte das Album seufzend zu. Die jungen Frauen aus diesen Artikeln waren alles andere als Klone, aber ein paar Gemeinsamkeiten mit Emma Renshaw hatten sie doch. Mit einem großen Unterschied. Sicher, jede von ihnen war die Tochter einer Mutter und eines Vaters, und viele hatten Eltern, die zu Hause auf sie warteten und sich die größten Sorgen machten.
    Aber, und das war das Wichtigste, alle waren sie noch am Leben.
    »Es ist traurig«, meinte Cooper.
    Fry nickte. »Das Schlimmste daran ist der Schuldfaktor.«
    »Wie meinst du das?«
    »Sarah Renshaw benutzt ständig das Wort ›Glauben‹. Ich denke, falls es sich herausstellt, dass Emma tot ist, wird sie das für sich so interpretieren, dass sie nicht

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