Die einsamen Toten
Begegnung mit ihm vor vier Tagen wieder ein. Der war ein langhaariger Schäferhund gewesen und ein ebenso lautloser Killer wie die Katze.
An der Ecke des Palettenstapels blieb er stehen, lauschte und versuchte, sich zu orientieren. Er war nicht sicher, wie groß der Hof war oder ob er parallel oder in einem Winkel zu den Häusern verlief. Der Hund war aus dem Durchgang zwischen Haus Nummer eins und zwei gekommen, die am anderen Ende liegen mussten. Wenn er jetzt an der hinteren Hofmauer entlangging, entfernte er sich dann von den Häusern oder näherte er sich ihnen?
Momentan ließ kein Geräusch auf die Anwesenheit des Hundes schließen, kein Klappern von Krallen auf dem Betonboden und kein Kettenrascheln. Der muffige Gestank nach Holz und verrostetem Eisen überlagerte jeden Hundegeruch. Cooper würde auf einen Zwinger oder eine Hundehütte achten müssen, wenn er in die Nähe von Nummer zwei kam. Der Hund war darauf abgerichtet, weder zu bellen noch zu knurren, bevor er auf jemanden losging, und das hatte zweierlei zur Folge. Er würde vor einem Angriff nicht gewarnt werden, und der Hund konnte noch besser seine Ohren spitzen und lauschen, ohne von seinem eigenen Gebell abgelenkt zu werden. Cooper wusste, dass das Tier ihn früher hören würde, als er das Tier wahrnahm. Ein ungleicher Kampf. Falls der Hund auf ihn losging, bestand seine einzige Chance darin, auf die Paletten
zu klettern und zu hoffen, dass die Stapel stabiler waren, als sie aussahen.
Sein Fuß stieß an einen schweren Gegenstand, der ein metallisches Schaben erzeugte, als er verrutschte. Cooper bückte sich und betastete ihn. Er war rund und schwer und aus Stahl. Cooper ließ seine Hand weiterwandern und hatte den Eindruck, dass sich das Teil vor ihm über mehrere Meter erstreckte. Daneben lagen noch mehr davon. Gerüststangen.
Das Vorwärtskommen wurde immer schwieriger. Der Boden war übersät mit unidentifizierbaren Gegenständen, und es war nicht eindeutig zu erkennen, wo der Weg verlief. Aber vor sich konnte Cooper den Umriss des Pritschenwagens erkennen, den die Oxleys fuhren.
Er warf einen Blick in Richtung der Häuser. Mit Ausnahme von Nummer sieben, wo Mrs Wallwin wohnte, hatte keiner die Vorhänge in den Erdgeschossfenstern zugezogen. In Nummer zwei und vier brannte Licht, und Cooper konnte in die Küchen sehen. Wahrscheinlich mussten die Oxleys nicht befürchten, dass ihnen die Leute hinter dem Haus in die Fenster starrten. Wer sollte sich schon nachts in dem Hof hinter der Waterloo Terrace aufhalten? Jedenfalls keiner, der etwas Verstand besaß, dachte Cooper.
Mrs Wallwin hingegen hatte andere Gewohnheiten. Entweder hatte sie gute Gründe zu der Annahme, dass jemand durch ihr Fenster spähte, oder sie hatte etwas zu verbergen. Wendy Tagg würde natürlich Letzteres behaupten. Cooper wäre jedoch überrascht gewesen, hätten die kleinen Oxleys Mrs Wallwin nicht belästigt, und wenn sie nur an ihre Fenster klopften und Schmähworte riefen. Sogar die Jüngsten hatten bestimmt bald die feindselige Haltung ihr gegenüber angenommen und fanden nichts dabei, sie auch auszudrücken.
Cooper beschloss, sich nicht weiter vorzuwagen, sondern durch die Passage oder durch das Haus zu seinem Wagen zurückzukehren, um eine Taschenlampe zu holen. Doch bevor er
sich umdrehen konnte, nahm er hinter dem Garten eine Bewegung wahr – ein dunkler Schatten vor dem Stapel Paletten im Hof und dem etwas helleren Wäldchen am Berg hinter Withens. Der Schatten bewegte sich am Zaun entlang, blieb stehen und wandte sich ihm zu.
Vorsichtig tastete Cooper sich bis zu dem Zaun vor, wo er eine Lücke erspähte, wahrscheinlich ein offenes Gartentor. Er schob sich seitlich daran entlang auf der Suche nach einem besseren Winkel, so dass sich die Gestalt gegen den Himmel abzeichnen würde.
Es war mit Sicherheit ein Mensch, aber unnatürlich groß. Scott Oxley war hoch gewachsen, aber nicht so groß. Und auch andere Details harmonierten nicht. Die Silhouette stimmte nicht ganz mit der einer menschlichen Gestalt überein. Cooper kniff die Augen zusammen, um Einzelheiten der merkwürdigen Form erkennen zu können. In dem Moment sah er, dass unweit davon noch eine stand. Und dann rückten eine dritte und eine vierte in sein Blickfeld. Zwischen Paletten, Gerüststangen und Stapel alter Autoreifen stehend, kam auf der Innenseite des Zaunes eine ganze Reihe davon zum Vorschein.
Ein scharrendes Geräusch und das Aufflackern einer kleinen Flamme, als eine der Gestalten
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