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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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doch. Das Problem ist, dass er sich immer die Falschen aussucht, und dann wird er enttäuscht. Da war doch diese kleine Kanadierin -«
    »Ja, ich erinnere mich, Gavin.«
    Murfin warf ihr einen Blick zu. »Klar, sicher erinnerst du dich. Aber ich glaube nicht, dass er dir deswegen einen Vorwurf macht, Diane. Nicht ganz jedenfalls.«
    »Danke.«
    »Weißt du, wenn so was passiert, braucht es seine Zeit, um darüber hinwegzukommen. Auf jeden Fall benimmt Ben sich ziemlich seltsam und hat angefangen, Selbstgespräche zu führen.«
    »Du machst Witze.«
    »Ist dir das nicht aufgefallen?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Ben ist ein wenig überempfindlich, wenn du mich fragst. Aber das sind vermutlich andere auch.«
    »Du entwickelst dich ja zu einem richtigen kleinen Psychologen, Gavin.«

    »Ja, Clement Freud.«
    Fry schaute zu Murfin hinüber, um ihn zu korrigieren. Dabei sah sie, dass er etwas kaute.
    »Was isst du da?
    »Nur ein bisschen Schokolade, die ich für Notfälle reserviert habe, Diane. Willst du was davon?«
    »Wie lange steckt die schon in deiner Tasche?«
    »Ein, zwei Tage.«
    »Nein danke.«
    »Ich brauch die Energie für mein Hirn.«
    »Vor allem für deine psychologischen Schlussfolgerungen.«
    »Ich weiß alles über phallische Symbole. Je frustrierter du sexuell bist, desto größere Symbole siehst du überall.«
    »Ich werde dich daran erinnern.«
    Schweigend fuhren sie eine Weile in Richtung der A6, die mitten durch das Herz von Derbyshire und des Peak Districts führte.
    »Diese Luftschächte«, sagte Murfin. »Wie tief gehen die in die Erde?«
    »Über sechzig Meter«, antwortete Fry.
    »Mann.«
     
     
    Diane Fry hatte Emma Renshaws Tagebuch mitgenommen und ertappte sich dabei, dass sie immer wieder darin blätterte.
    »Was glaubst du, bedeuten diese Initialen, Gavin?«, fragte sie. »KNLH.«
    »Keine Ahnung. Die Renshaws sagten, sie wüssten es nicht. Debbie Stark wusste es nicht. Und Khadi Sowieso wusste es auch nicht.«
    »Sagten sie.«
    »Du glaubst wohl keinem Menschen mehr ein Wort, wie?«, fragte Murfin.
    Fry blätterte eine Seite um, dann noch eine. »Sie hat diese Initialen jeden Tag wiederholt.«

    »Vielleicht hatten sie was mit ihren Vorlesungen zu tun. So eine Art Gedächtnisstütze.«
    »Aber warum jeden Tag dasselbe?«
    »Das weiß ich doch nicht.«
    »Und noch etwas«, sagte Fry. »Emma schrieb täglich in ihr Tagebuch. Wieso haben ihre Eltern es dann in ihrem Zimmer in Bearwood gefunden? Wieso hat Emma es nicht mitgenommen, als sie über Ostern nach Hause fuhr? Sie hat es bestimmt nicht vergessen, oder?«
    »Also, so wie ich Withens kenne«, antwortete Murfin, »hat sie es wahrscheinlich nicht mitgenommen, weil sie genau wusste, dass dort nichts passieren würde, das notierenswert wäre.«
    »Mag sein.«
    Fry hörte zu blättern auf. Die Erinnerung an ein anderes Tagebuch stieg in ihr hoch, das dem hier nicht unähnlich war. Das Tagebuch eines Teenagers, auch wenn dieses Mädchen ein paar Jahre jünger als Emma Renshaw gewesen war. Das Mädchen hatte mit seinen Pflegeeltern in einer Doppelhaushälfte in Warley gelebt und war sehr unglücklich gewesen.
    Plötzlich ergaben die Buchstaben einen Sinn. Es war fast so, als hätte Emma die Worte laut für sie wiederholt. Fry hatte keinen Zweifel.
    »Heute kein neues Leben«, sagte sie plötzlich.
    Murfin starrte sie an. »Was hast du gesagt?«
    »KNLH. Das heißt: Kein neues Leben heute.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es eben. Okay?«
    »Aber -«
    »Gavin, vertrau mir dieses eine Mal, ja? Sie hat es tagtäglich in ihr Tagebuch geschrieben. Sie musste es nicht ausschreiben, weil sie genau wusste, wofür die Buchstaben standen. Es steht auf jeder Seite. Wie eine Art Mantra. Kein neues Leben heute. Kein neues Leben heute.«

    »Okay, okay. Ich bin nicht taub. Das eine ist so wahrscheinlich wie das andere.«
    »Ja, das ist es. Vielleicht ein wenig unreif. Aber das ist genau der Eindruck, den ich von Emma habe – zu unreif, um sich sicher zu fühlen, als sie zum ersten Mal von zu Hause fort war. Sie ist in Withens aufgewachsen. Das Leben im Black Country muss ein Schock für sie gewesen sein.«
    »Gut, und was hat sie damit gemeint?«
    »Etwas ist nicht passiert, das sie sich gewünscht hat. Ein Mann, vermute ich.«
    »Das ist doch immer so«, meinte Murfin. »Einer der Jungen? Neil Granger? Nicht Alex Dearden?«
    »Jemand, in den sie verliebt war, der aber an ihr kein Interesse hatte. Vielleicht einer ihrer Dozenten an der

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