Die einsamen Toten
der Mann mit dem Stock ging?
Er glaubte, sich vage zu entsinnen, eines Morgens an der Ampel gehalten und gesehen zu haben, wie der Mann am Zebrastreifen mit seinem Einkaufswagen darauf wartete, an die Ecke zur Eyre Street überzuwechseln. Von dort aus war es nur noch ein kurzer Fußweg bis zu den Bushaltestellen vor dem Rathaus. Dort fuhren alle Linien in den Osten und den Norden von Edendale ab. Auch das war keine Hilfe.
Zurück im Büro in der West Street, stellte Cooper fest, dass alle Kollegen eifrig telefonierten. Er nahm an seinem eigenen Schreibtisch gegenüber von Gavin Murfin Platz, dessen Kopf über einige Notizen gebeugt war, die er aus einem kleinen Büchlein auf Formulare zu übertragen suchte. Murfin blickte hoch, schüttelte übertrieben heftig den Kopf Richtung Cooper und sog zischend die Luft ein.
»Zu spät, Mr Cooper! Das gibt Ärger. Dein Glück, dass unsere Miss in einer Besprechung ist.«
»Ich musste was erledigen.«
»Hier gibt es jede Menge zu erledigen«, sagte Murfin.
Cooper erwiderte nichts. Freitagnachmittag war wirklich nicht der Zeitpunkt, an dem er bei Somerfield’s Ausschau nach alten Männern mit Spazierstöcken halten sollte.
Statt Freitagnachmittag hätte er lieber Sonntagvormittag aktiv werden sollen. Um diese Zeit erledigte der alte Mann seine
Einkäufe. In Edendale fuhren die Busse am Sonntag nur eingeschränkt; manche Routen waren überhaupt nicht in Betrieb. Der Mann mit dem Stock verließ den Supermarkt jeden Sonntag zur selben Zeit, gegen halb zehn Uhr. Er konnte nur langsam gehen. Gesetzt den Fall, er schaffte es in einer Viertelstunde bis zum Rathaus, dann kam kein Bus vor Viertel vor elf in Frage.
Cooper sah sich im Büro um. Hier musste doch irgendwo ein Busfahrplan liegen.
Er ging zu dem Regal mit den Nachschlagewerken. Dort standen auch noch eine Menge andere Sachen herum, mit denen niemand etwas anzufangen wusste, einschließlich eines Stapels dringender Mitteilungen aus der Polizeidirektion der Grafschaft, der ungefähr dreißig Zentimeter hoch war und zu kippen drohte. Doch Cooper fand schließlich, was er suchte.
»Busnummer neunzehn. Abfahrt zehn Uhr dreiundfünfzig nach Southwoods«, sagte er laut.
Gavin Murfin hielt im Schreiben inne. »Ein Bus wohin?«
»Southwoods.«
»Southwoods? Aha.«
»Kennst du das?«
»Natürlich kenne ich das. Da gibt es eine anständige Frittenbude gleich in der Nähe vom Gemeindezentrum.«
Wie üblich stellte Cooper fest, dass seine Aufmerksamkeit schlagartig nachließ, sobald Murfin auf das Thema Essen zu sprechen kam.
»Ich frage mich, ob der Bus um zehn Uhr dreiundfünfzig am Sonntagvormittag sehr frequentiert ist«, sagte er. »Und ob normalerweise derselbe Busfahrer Dienst hat. Was meinst du?«
»Am Sonntagmorgen? Nein, kein guter Zeitpunkt«, erklärte Murfin.
»Wieso nicht?«
»Die Frittenbude hat am Sonntag nicht geöffnet.«
»Gavin, mach bitte mit deinen Notizen weiter und überlass das mir, ja?«
Cooper stand auf und holte sich seine Jacke. Murfin sah ihm nach, bis er fast zur Tür draußen war.
»Was ich nicht ganz begreife, Ben«, sagte er, »ist, warum du überhaupt mit dem Bus nach Southwoods fährst.«
Es bedurfte nur einiger Telefonate mit dem Busdepot in Baslow, um herauszufinden, dass der von Cooper gesuchte Fahrer im Augenblick auf der Nummer 19 zwischen Edendale Rathaus und Southwoods Estate pendelte. Cooper brachte auch noch in Erfahrung, wann der Bus an der Endstation vor dem Rathaus einige Minuten Aufenthalt hatte. Er wartete bereits, als das Fahrzeug vorfuhr und die Passagiere ausstiegen.
Der Busfahrer warf einen Blick auf seinen Ausweis. »Sie suchen einen alten Knaben mit einem Spazierstock und einer Einkaufstasche? Ja, den kenne ich. Ich muss ihm manchmal an Bord helfen. Er hat gute und schlechte Tage, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Das ist ja wunderbar. Und wo steigt er aus?«
»An der Ecke Wembley Avenue, nahe der Unitarierkirche.«
»Wohnt er in der Wembley Avenue?«
»Tja, das kann ich nicht so genau sagen. Aber er geht immer in die Richtung. Er könnte dort ja auch jemanden besuchen.«
»Besuchen?«
»Ja, eine Freundin. Oder seine Mutter, was weiß ich.«
Cooper sah ihn an. »Seine Mutter. Ja.«
»Na ja, seine Mutter eher nicht«, sagte der Fahrer. »Er ist ja schon etwas älter. Wahrscheinlich ist seine Mutter schon tot.«
»Haben Sie jemals bemerkt, wie weit er die Wembley Avenue entlanggeht?«
»Nein. Er ist ja nicht mehr der Schnellste. Wenn ich
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