Die einsamen Toten
gehörten einige der Fahrzeuge Anwohnern oder waren auf Firmen zugelassen, die legitime Gründe hatten, sich auf Southwoods aufzuhalten. Einer der Wagen war sogar auf das Wohnungsamt der Gemeinde zugelassen. Mr Revill war nicht sehr wählerisch, was seine Verdächtigungen anging. Oder vielleicht doch.
Cooper schaffte es, die Anzahl der in Frage kommenden Fahrzeuge auf vier zu reduzieren. Sie stammten nicht aus der Gegend, und zwei davon waren Lieferwagen, was bei Diebstählen natürlich von besonderem Interesse war. Aber dann fiel ihm wieder ein, um welche Art von Diebesgut es sich handelte – alles klein, handlich und leicht zu verstecken.
Einer der letzten Pkws, den Cooper durch den Polizeicomputer laufen ließ, war ein Audi. Langsam verlor er das Interesse und fragte sich, ob er den Rest nicht lieber morgen erledigen sollte. Es gab wichtigere Dinge zu tun. Aber da stieß er endlich auf einen Namen, den er kannte.
»Nein, das ist nicht möglich. Können Sie das noch mal überprüfen?«
»Das sind Name und Adresse des zuletzt registrierten Besitzers.«
»Das ist einfach nicht möglich«, erklärte Cooper. »Emma Renshaw wird seit zwei Jahren vermisst.«
Als Ben Cooper in die Büroräume der Kripo kam, traf er Diane Fry allein an. Sie hatte die Ellbogen auf dem Schreibtisch abgestützt und starrte aus dem Fenster, als wunderte sie sich, wo
der Rest der Welt abgeblieben war. Cooper war ebenfalls müde, aber Fry schien vollkommen am Ende zu sein. Er warf ihr einen vorsichtigen Blick zu, während er seine Nachrichten durchsah. Jede Menge Dinge, die er gar nicht wissen wollte. Aber leider keine Einladung der Oxleys zum Tee. Welche Überraschung.
»Diane, heute Morgen ist etwas Merkwürdiges passiert. Ich habe einige Fahrzeuge überprüfen lassen, die zur Zeit des Einbruchs in Southwoods Grange gesichtet wurden.«
Fry drehte den Kopf in Richtung seiner Stimme, schien aber geradewegs durch ihn hindurchzusehen.
»Wie es sich herausstellte, war einer davon auf Emma Renshaw zugelassen. Der Einbruch war vor zwei Wochen. Ich frage mich, was da vor sich geht.«
»Keine Ahnung.«
Cooper beobachtete sie eine Weile. Sie schien ihm überhaupt nicht zugehört zu haben. Irgendetwas war gründlich in Unordnung.
»Probleme mit den Renshaws?«, fragte er schließlich.
»Was?«
Fry schien wie aus einem Traum zu erwachen. Sie starrte ihn verständnislos an. Sie hat mich überhaupt nicht bemerkt, dachte er.
»Oh, die Renshaws. Ja.«
»Irgendwo muss es eine Erleichterung für sie sein«, sagte Cooper. »Nach der langen Zeit müsste es ihnen doch helfen, zu wissen, dass Emma tot ist. Jetzt brauchen sie sich nicht mehr mit den ewig gleichen Fragen zu beschäftigen und können anfangen, endlich mit ihrem Leben weiterzumachen.«
»Hm. Ja.«
Cooper bemerkte, dass sie seinem Blick auswich. Es nagte mehr an ihr als nur eine belastende Begegnung mit Eltern, die ihr Kind verloren hatten.
»Was ist los, Diane? Was ist passiert?«
Sie sah ihn an. Seit er den Raum betreten hatte, sah sie ihn
das erste Mal richtig an. Ihre Augen blickten müde und verwirrt. Wie bei einem Menschen, der dachte, das Ende sei in Sicht, der nun aber wieder von vorne anfangen musste, den Felsbrocken den Berg hinaufzuschieben.
»Wir haben den vorläufigen Bericht des Pathologen bekommen«, sagte sie. »Zu Altons Knochenfunden auf dem Friedhof.«
»Vermutlich wird es dauern, sie definitiv zu identifizieren.«
»Ja, aber ein paar Informationen liegen bereits vor.«
»Todesursache?«
»Nein.«
»Nein – das wäre zu viel verlangt. Später vielleicht. Sie werden sicher noch einige Tests machen -«
Fry schob ungeduldig den Bericht zu ihm hinüber. »Du musst nicht weit lesen. Schau dir nur den ersten Abschnitt an.«
Cooper begann zu lesen. Zunächst ein paar einführende Worte, dann eine erste Einschätzung des Zustands der – offensichtlich – skelettierten Überreste, daraufhin die Erwähnung eines fehlenden Fingerglieds an der linken Hand. Hier stutzte Cooper das erste Mal. Es folgte eine Liste mit Maßangaben – Längen-Breiten-Index des Schädels, Ausdehnung der Apertura piriformis der Nase. Der Wachstumszustand der Knochenenden und die Abstände zwischen den Platten des Hirnschädels ließen auf ein Alter von ungefähr vierundzwanzig Jahren schlie- ßen. Im Anschluss ging der Bericht ausführlich auf die Breite des Beckens und den so genannten Ischium-Pubis-Index ein. Es folgten weitere Hinweise auf spitz zulaufende Kieferknochen, eine
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