Die einsamen Toten
Bei ihr hätten genau dieselben Wörter eine völlig andere Bedeutung gehabt. Aber dieser Reverend Alton schien es merkwürdigerweise ernst zu meinen.
»Ja, Sie müssen mehr Interesse zeigen«, sagte Cooper.
»Das werde ich. Ich danke Ihnen.«
Cooper schämte sich fast, den Mann so herablassend zu behandeln. Lächerlich, dass er einem Geistlichen erklärte, er solle mehr Interesse an seinen Gemeindemitgliedern zeigen. Aber der Pfarrer schien es ihm nicht übel zu nehmen. Wahrscheinlich hatte er sich von seinen Schäflein schon weit schlimmeren Rat anhören müssen.
»Police Constable Udall hat mir gesagt, Sie hätten hier im Dorf Probleme mit den Sprösslingen der Familie Oxley.«
»Ja, ich musste mich mehrmals bei ihrem Vater über sie beschweren«, erklärte Alton. »Sie haben die Angewohnheit, sich abends auf dem Friedhof zu treffen, vor allem hier in dieser abgeschiedenen Ecke. Hier kann keiner sehen, was sie so treiben.«
»Und was treiben sie so?«
»Ich mag es mir gar nicht vorstellen. Ich muss regelmäßig Bierdosen und andere Utensilien einsammeln. Ab und zu machen sie was kaputt oder beschmieren die Steine mit Graffiti. Es ist einfach lästig.«
»Und? Ist ihr Vater kooperativ?«
»Lucas? Er hört sich alles an. Auch Marion natürlich. Aber ich bin nicht sicher, inwieweit sie ihre Kinder noch im Griff haben.«
»Wie viele Kinder sind es denn?«
»Oh«, erwiderte Alton vage und schaute auf die Finger seiner Handschuhe, als bräuchte er etwas zum Abzählen und zweifelte, ob diese auch reichen würden. »Es sind so viele in der Waterloo Terrace. Lucas hat mindestens drei Söhne – Scott ist der Älteste, dann kommt Ryan und dann Jake. Und wahrscheinlich
noch Sean. Und dann sind da noch zwei verheiratete Töchter. Das heißt, eine ist verheiratet, aber für Fran war das nie ein Thema. Die jüngeren Mädchen heißen Lorraine und Stacey. Aber dann gibt es auch noch ein paar Cousins wie Neil. Der heißt zwar Granger, ist aber ein Neffe von Lucas Oxley, glaube ich. Es ist schwer, den Überblick zu behalten, wissen Sie, vor allem, wenn sie in der Gruppe auftreten. Oft weiß ich nicht, wer wer ist. Bis auf den kleinen Jake natürlich.«
»Jake – ist das der, den sie den kleinen Teufel nennen?«
»Ja, der arme Junge. Ich glaube, dass Jake weniger auf seine Eltern und mehr auf seinen Großvater hört. Das ist der alte Mr Oxley. Eigentlich überraschend, da Jake erst neun Jahre alt ist und Eric bereits um die achtzig sein muss. Aber vielleicht kommt Jake eines Tages nach seinem Großvater. Das können wir nur hoffen, denn Eric war zu seiner Zeit ein tüchtiger Mann.«
Cooper ging es wie Alton. Auch er hatte Probleme, die Zahl der Oxleys zu überblicken. Lucas und Marion waren die Eltern, aber wie viele Kinder es waren, wusste er nicht mehr. Waren es sieben oder acht? Da waren Scott, Ryan und Jake, aber zählte Sean auch dazu? Und wie viele Cousins gab es? Hatten die verheirateten Töchter bereits eigene Kinder? Das war schon verwirrend genug, aber jetzt kam auch noch eine ältere Generation hinzu, die ebenfalls in Betracht gezogen werden musste.
»Ist der alte Mr Oxley Mitglied Ihrer Gemeinde hier in St. Asaph?«, fragte Cooper.
»Leider nicht.«
»Das wundert mich. Bei seinem Alter hätte ich das eigentlich erwartet. Da hat man doch noch gelernt, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen. Es sei denn, der alte Mr Oxley ist ein Nonkonformist. Hier in der Gegend gibt es viele Methodisten.«
»Hüten Sie Ihre Zunge«, sagte Alton und senkte lächelnd den Blick auf seine Sense.
»Ist er denn Methodist?«, fragte Cooper.
»Ich weiß es nicht«, antwortete der Pfarrer. »Ich hatte nie Gelegenheit, ihn das zu fragen. Seit ich in dieses Dorf kam, hat Eric Oxley noch kein Wort mit mir gewechselt. Obwohl wir uns ein paarmal auf der Straße begegnet sind und ich ihn angesprochen habe, hat er mich nicht eines Blickes gewürdigt und nicht einmal mit mir gesprochen.«
»Nicht ein Wort?«, fragte Cooper.
»Nicht ein Wort.«
»Mr Alton, glauben Sie, dass die jungen Oxleys für den Einbruch in Ihrer Sakristei verantwortlich sind?«
Alton seufzte. »Ich weiß es wirklich nicht. Sie sind auf jeden Fall verdächtig. Aber sie sind bisher noch nie so weit gegangen, in die Kirche einzubrechen, und gestohlen haben sie bisher auch noch nie etwas. Aber an den Türen und an Möbeln in der Sakristei ist beträchtlicher Schaden entstanden. Und es fehlen einige Gegenstände.«
»Mehrere Silberteller, soviel ich weiß,
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