Die Einsamkeit des Barista
mir einhandeln.
»Ich versteh sowieso nichts mehr«, verkündete Ampelio und setzte sich, womit er offiziell die Partie für beendet und die Debatte für eröffnet erklärte. Die Pause endet, und das Kulturelle beginnt, dachte Massimo, der sich an einen alten Film mit Roberto Benigni erinnert fühlte.
»Aber wirklich«, echote Rimediotti und setzte sich ebenfalls, wenn auch mit Schwierigkeiten. »Er wollte ins Kommissariat, hat er gesagt.«
»Tja«, nahm Del Tacca den Faden auf. »Und er hat noch was anderes gesagt. Dass er weggeht. Er geht, wegen irgendetwas, das er getan hat. Das erinnert mich an eine Geschichte. Das erinnert mich an das, was dem armen Santochi passiert ist.«
»Wem?«, fragte Tiziana, während die anderen Alten plötzlich anfingen zu strahlen.
»Santochi, der vom Poseidon-Bad. Das früher Bruno-Bad hieß.«
Pilade setzte sich auf seinem Stuhl zurecht, lehnte sich satt an die Lehne und nahm die typische Haltung des Erzählers ein, der sich an längst vergangene Ereignisse erinnert.
»Santochi hatte einen Bademeister namens Francesco, genannt Cecco von den Sonnenschirmen. Und der Spitzname war kein Zufall. Tagsüber richtete er die Sonnenschirme auf und nachts was anderes. Er war ein hübscher junger Kerl, dunkel, einer von denen, die wissen, wie man’s anstellt. Und er hat sie alle flachgelegt. Junge und weniger Junge, Ledige und Verheiratete. Und unter denen war eines Sommers auch Santochis Frau. Er nahm sie mit in die Kabine und hat’s ihr ordentlich besorgt, während ihr Mann Muscheln fischen war.«
Pilade unterbrach seine Erzählung und zündete sich eine Zigarette an, ohne bei Massimo eine Reaktion hervorzurufen, der der Geschichte folgte und an nichts anderes dachte.
»Und eines Tages«, nahm Pilade den Faden wieder auf, »ging die Frau vom Santochi, der im Übrigen genauso wenig ein Heiliger war, zur Beichte in den Konvent, in Tränen aufgelöst, und erzählte dem Bruder, Pater Giuseppe, dass sie mit Cecco von den Sonnenschirmen in die Kabine gegangen sei und ihr Mann alles herausbekommen habe.«
Pilade klopfte die Asche von der Zigarette und fuhr fort: »Also, der Santochi war ein guter Mann, ein Arbeiter, aber er war eifersüchtig wie sonst wer. Er war Korse, da kann man sich das vorstellen. Aus Porto Centuri, im Norden. Einmal hat er einem Kerl eins mit dem Stuhl übergebraten, der seine Frau komisch angesehen hatte. Also fackelte der Pater nicht lange: Er ging zu den Carabinieri und sagte ihnen, dass sie den Cecco suchen sollten, bevor der Santochi ihn fände, weil es sonst Tote geben könnte.«
»Daran erinnere ich mich noch«, mischte Ampelio sich ein. »Zwei haben sich vor Ceccos Haus gestellt, und eine halbe Stunde später kam der Santochi mit dem Gewehr im Arm. Sie haben alle beide festgenommen, den Santochi wegen Waffenmissbrauchs, und bei Cecco wusste man nicht so genau, weshalb. Und dann, während beide im Kittchen saßen, fing der Maresciallo der Carabinieri an, jeden zweiten Tag die Frau vom Santochi zu besuchen.«
»Wie auch immer, das ist es, was passiert ist«, fuhr Pilade fort. »Und der gute Pater Giuseppe, der ja im Grunde nur nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat, fand sich in einer scheußlichen Lage wieder. Der Prior des Konvents sagte ihm, dass er nicht rumlaufen dürfe und das Beichtgeheimnis verletzen, und Pater Giuseppe antwortete ihm, dass er das ja nur gemacht habe, um zu verhindern, dass jemand umgebracht würde. Na ja, jedenfalls erklärte der Prior, dass die Leute sowieso nicht mehr zu ihm zur Beichte gehen würden und es besser für alle wäre, wenn er einen anderen Konvent finden würde, der ihn aufnimmt. Und das hat er dann wohl auch getan, denn von heute auf morgen hat man nichts mehr von Bruder Giuseppe gesehen oder gehört.
»Alles klar«, sagte Massimo. »Also ist Pater Adriano aufs Kommissariat gegangen, um etwas zu erzählen, was er in der Beichte gehört hat.«
»Hundert Prozent sicher. Darauf wette ich mein bestes Stück«, erklärte Del Tacca feierlich.
»Ha, von wegen«, lachte Ampelio höhnisch. »Das hängt doch seit zehn Jahren schon auf halb sieben.«
»Aber an dem Punkt kommen wir dann auch schon nicht mehr weiter«, sagte Aldo und rieb dabei gedankenverloren Kreide auf die Spitze des Stockes, als bereite er sich darauf vor, einen filotto zu stoßen, mit Ampelios Haarschopf als weißer Kugel. »Weil ich mir, auch wenn ich zugebe, dass du recht haben könntest, nur vorstellen kann, dass es etwas mit dem Carpanesi zu
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