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Die Einsamkeit des Barista

Die Einsamkeit des Barista

Titel: Die Einsamkeit des Barista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Malvaldi
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tun hat.«
    »Und wieso mit Carpanesi?«, fragte Tiziana.
    »Weil der Carpanesi in der ganzen Geschichte der Einzige ist, der zur Beichte geht«, antwortete Ampelio. »Die Corucci ist nie in die Kirche gegangen, und die Frau vom Carpanesi würde Priester und Pater nur ungespitzt in den Boden rammen.«
    »Eine intelligente Person«, kommentierte Massimo leise.
    »Du bist wirklich ein Antichrist«, meinte Tiziana.
    »Da erlaube ich mir zu widersprechen«, sagte Aldo. »Massimo hat seine eigenen Ansichten über die Religion, genau wie wir alle. Außerdem erlernt er allmählich die Kunst der Diplomatie. Es mag dir anders vorkommen, aber dieses Mal ist er sehr höflich gewesen.«
    »Es kommt darauf an, wem gegenüber. Pater Adriano ist ein Mensch, der mir gefällt. Intelligent und positiv. Ganz anders als die beiden Zugedröhnten neulich. Ich weiß sowieso, dass du die meinst.«
    Mit »die« meinte Massimo zwei Personen, die vor Kurzem im falschen Moment in die falsche Bar gekommen waren. Für einen Augenblick wanderten die Gedanken aller Anwesenden zu dem fraglichen Nachmittag zurück.
    Mitten an jenem Nachmittag war die Tür zur Bar aufgegangen, und es waren zwei Zeugen Jehovas hereingekommen.
    Ja, ich weiß, das ist keine Art zu schreiben, und so beschreibt man auch nicht zwei Figuren am Beginn einer Erzählung, aber stellen wir uns doch mal folgende Frage: Wenn ihr zwei Männer in Anzug und Krawatte seht, beide mit einer Ledertasche, von denen einer einen Stapel Zeitschriften in der Hand hält, auf denen bedrohlich die Zeile »Erwachet!« hervorsticht, was denkt ihr da?
    Sieh mal, was für eine hübsche Krawatte?
    Der Mann erinnert mich an jemanden?
    Nein, nein, glaubt mir. Beinahe die Gesamtmenge aller Menschen ordnet diese Erscheinung nicht Personen oder Kleidung oder etwas anderem zu: Sie denken einfach nur »Huch, die Zeugen Jehovas« und wechseln, wenn sie können, die Straßenseite. Deshalb wäre es heuchlerisch, diese Figuren detailliert zu beschreiben, und ich hoffe, dass ihr versteht, wie aufrichtig meine Absichten sind. Wenn das in Ordnung ist für euch, gut; wenn nicht, das Regal mit den P.-D.-James-Krimis ist nebenan, wenn ihr wollt, leihe ich euch einen.
    Also, wir waren bei den Zeugen Jehovas. Die beiden gingen zum Tresen, wo Tiziana sie mit einem Lächeln und ihrem üblichen: »Guten Tag, was darf ’s sein?«, begrüßte.
    »Also für mich ein Tonicwater. Und du, Piero?«
    »Für mich einen Eistee. Hübsch hier.«
    Gewissermaßen als Antwort auf Pieros Lob drang aus dem Billardzimmer eine lange, komplizierte und ausführliche Schmähung eines unbekannten Spielers als unfähig, den wir einmal unbestimmt als X-ldo bezeichnen wollen und der von dem Ankläger (den wir, immer noch unbestimmt, Y-mpelio nennen wollen) abschließend mit einem Fluch belegt wurde, der keinerlei Interpretationsspielraum mehr zuließ.
    Tiziana lächelte weiter, wie es ihr Job und ihr freundlicher Charakter ihr geboten, allerdings sichtlich angestrengt, während sie sagte: »Einen Eistee und ein Tonic. Sofort.«
    »Und tausend Entschuldigungen seitens der Geschäftsleitung«, sagte eine Stimme unter dem Tresen. »Sie sind alt. Ich habe versucht, sie auszurotten, aber der WWF ist dagegen.«
    »Das macht doch nichts«, sagte der, der nicht Piero hieß. »Es ist eine schlechte Angewohnheit. Wie es sie in der Toskana schon immer gibt. Das ist kein Fluch, einfach nur schlechte Erziehung.«
    »Der Herr wird es nicht schätzen, wenn die letzten Tage zu Ende gehen«, hielt Piero es für nötig hinzuzufügen.
    Unter dem Tresen tauchte ein neugierig gewordener Massimo hervor. Er sah sich die beiden an, erblickte die Zeitschriften und lächelte.
    »Die letzten Tage? Und wann wäre das?«, fragte er, immer noch lächelnd, während Tiziana anfing, ihm böse Blicke zuzuwerfen.
    »Wir erleben sie gerade, mein Lieber. Die Zeichen sind unmissverständlich.«
    »Und wieso sind Sie sich da so sicher?«
    »Es steht alles in der Apokalypse des Johannes. In der Bibel. Die Beschreibung ist klar und eindeutig. Hör zu: Das erste Zeichen …«
    »Nein, entschuldigen Sie. Wenn Sie mir erlauben, ein bisschen kleinlich zu sein. Sie sind sicher, dass wir in den letzten Tagen leben, weil in der Bibel eine Beschreibung der letzten Tage steht?«
    »Sicher. Und die ist extrem klar. Sehen Sie sich doch zum Beispiel nur mal an, was heutzutage im Sudan geschieht, im Irak, in Afghanistan. Also …«
    »Nein, entschuldigen Sie bitte noch einmal. Bei allem Respekt,

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