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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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Wartungsingenieure, habe ich schon von diesem Amazonas gehört. Ich habe das Wort aus dem Mund des einen oder anderen unvorsichtigen Wissenschaftlers gehört. Ich habe es sogar auf verschiedenen Forschungsberichten gelesen, auf Notizen und Etiketten von Gläsern mit tierischen Präparaten.
    »Der Amazonas-Regenwald«, flüstere ich, schaue auf und sehe ihn mit meinen eigenen Augen. Wenigstens dieser Teil der Welt gehört mir. Der dunkle Dschungel draußen sieht aus wie immer, aber ich staune, wie anders es sich anfühlt, wenn ich ihn jetzt betrachte. Ein Name ist nichts Geringes. Er unterscheidet von anderen und verleiht Bedeutung. Der Regenwald war bis jetzt meine ganze Welt, aber der Amazonas – während die Bäume und die Lianen und die Tiere, die hinter den Blättern lauern, anscheinend zu etwas Besonderem werden, wenn sie Teil eines Ortes mit einem Namen sind, kommt einem gleichzeitig auch alles kleiner vor. Was seltsam ist. Schließlich war ich noch nie am Rand des Regenwaldes. Ich war, wenn man es genau nimmt, noch nie wirklich im Regenwald.
    »Wenn ich nie im Regenwald war und auch nie außerhalb… wo war ich dann die ganze Zeit?«, frage ich Alai.
    Als Antwort kommt ein Klopfen an der Tür. Mir bleibt fast das Herz stehen. Ich raffe die Karte zusammen, ohne darauf zu achten, dass sie auch nur im Entferntesten richtig gefaltet ist. Alai geht vor der Tür auf und ab und knurrt leise.
    »Pia? Bist du da?« Es ist Mutter.
    Rasch lasse ich die Karte unter dem Bett verschwinden, ziehe den Stuhl weg, öffne die Tür und versuche unschuldig auszusehen. »Ja?«
    Sie blickt sich im Zimmer um. »Darf ich reinkommen?«
    »Oh.« Mein Herz schlägt schneller. »Okay.«
    Sie geht an mir vorbei und setzt sich aufs Bett. Als ich mich zu ihr umdrehe, sehe ich genau zwischen ihren Füßen eine Ecke der Karte hervorlugen. Ich schlucke und versuche nicht daraufzustarren. »Was willst du?«
    »Dir dein Geburtstagsgeschenk geben.« Sie reicht mir einen kleinen Umschlag.
    Uff. Sie ist voller Überraschungen heute. Ich versuche mir meine Verwunderung nicht anmerken zu lassen, nehme den Umschlag und öffne ihn. Darin ist ein altes Foto von drei Kindern, einem Mädchen und zwei Jungen. Ich schaue sie an. »Du, Onkel Will und Onkel Antonio?«
    Sie nickt. »Es war vor…«
    Vor dem Zwischenfall. Ich betrachte das Bild genauer. Die drei sind nicht älter als zehn. Sie haben einander die Arme um die Schultern gelegt und lächeln. Ich habe noch nie ein Foto von ihnen als Kinder gesehen. Und ich habe meine Mutter noch nie so lächeln gesehen. Das Mädchen auf dem Foto wirkt unbekümmert und glücklich, Worte, die ich nie mit meiner Mutter in Zusammenhang gebracht hätte. Ich kenne sie nur distanziert und sachlich, die Art von Wissenschaftlerin, die Onkel Paolo so schätzt. Deshalb lässt er sich bei den meisten seiner Experimente auch von ihr assistieren.
    »Wer ist das?«, frage ich und blicke mit zusammengekniffenen Augen auf eine verschwommene Gestalt im Hintergrund.
    Sie nimmt das Foto, betrachtet es eingehend und wird blass. »Das – ist niemand.«
    »Was soll das heißen, niemand?«
    »Es ist… dein Großvater. Ich habe nicht gesehen, dass er auf dem Bild ist, sonst hätte ich es dir nicht…«
    Ich schnappe mir das Foto wieder und betrachte es erneut. »Mein Großvater.« Als ich aufschaue, sehe ich, wie angespannt ihr Gesicht ist. »Du hast gesagt, er und die anderen aus seiner Generation hätten Little Cam verlassen, um draußen in der Welt ein neues Leben zu beginnen.«
    »Das habe ich. Ja, das habe ich.« Sie erhebt sich und fährt sich mit den Händen durchs Haar. »Das muss vorher aufgenommen worden sein.«
    Sie geht zur Tür, dreht sich dort aber noch einmal um. Ich mache einen Schritt zur Seite und stelle den Fuß auf die sichtbare Ecke der Karte. Mutter streckt die Hand aus. »Gib es zurück.«
    Schockiert drücke ich das Foto an mich. »Was?«
    »Gib es zurück. Es war ein blödes Geschenk. Emotional. Paolo würde es nicht gutheißen. Ich wusste nicht, dass Va– dein Großvater auf dem Bild ist.«
    »Es gehört mir. Du hast es mir geschenkt. Ich behalte es.«
    »Gib es zurück, Pia!« Ihr Ton ist streng und eisig.
    Halb glaube ich, meinen Ohren nicht trauen zu können, doch langsam gebe ich das Foto zurück. Das ist Mutter, wie ich sie kenne. Fordernd. Unnachgiebig. Auch wenn ich ihren kühlen Kopf im Labor bewundere, kann es daheim in unserem Glashaus ganz schön nerven. Manchmal wünsche ich mir, mein Vater lebte bei

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