Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)
mit den Schultern. »Bis jetzt nur vier Mal. Dagegen bist du ein richtig böser Junge, Onkel Antonio. Du schleichst dich schon seit Jahren hinaus. Du hast sogar ein Kind mit –«
»Das geht dich nichts an«, unterbricht er mich rasch. »Und nur damit du es weißt: Ich habe Larula geliebt.«
»Warum hast du sie dann nicht nach Little Cam gebracht? Und Eio gleich mit?« Wie anders ich aufgewachsen wäre, wenn ich einen Spielkameraden gehabt hätte. Und Eios Mutter wäre vielleicht nicht gestorben.
Plötzlich sehe ich die Ironie der Sache. Ohne den Zwischenfall wäre Onkel Antonio der Vater meines unsterblichen Mister Perfect geworden. Stattdessen wurde er der Vater von Eio. Aber Eio kann nicht mein… oder doch? Ich denke an unseren Beinahe-Kuss und mein Herz macht einen Sprung.
»Ich konnte sie nicht hierherbringen«, antwortet Onkel Antonio. »Es war zu… Ich hatte meine Gründe. Pia, du musst mir versprechen, dass du nicht mehr hingehst. Glaub mir, wenn sie dich erwischen, nähmen sie dir mehr als nur dein Abendessen. Mit diesen Leuten ist nicht zu spaßen, Pia. Sie sind wild entschlossen zu kriegen, was sie wollen, und jeder, der sich ihnen in den Weg stellt, wird einfach überrollt. Für sie ist das dann lediglich ein notwendiges Übel.«
Ich denke an mein Gespräch mit Onkel Paolo vor nicht einmal einer Stunde, an den Laborblock B und die Drohung von Victoria Strauss, das Immortis-Team zu verlagern, und kann mir vorstellen, dass Onkel Antonio recht hat. Mir wird ganz mulmig.
»Versprich es mir, Pia.«
»Ich verspreche es.« – Dass ich wieder hingehe. Noch hundert Mal. So oft es sein muss. Vielleicht werde ich all das tun, was Onkel Paolo von mir verlangt, aber ich werde nach Ai’oa zurückgehen, um mich daran zu erinnern, dass ich auch ein menschliches Wesen bin.
»Wie gehst du unbeobachtet hinaus?«, erkundige ich mich neugierig.
»Das brauchst du nicht zu wissen.«
»Na gut. Ich habe dir mein Geheimnis verraten, da wäre es doch nur fair, wenn du mir deines anvertraust.« Ich schmolle, aber im Grunde macht es mir nichts aus.
»Pia.«
»Tut mir leid.«
Früher oder später wird Onkel Antonio nach Ai’oa zurückgehen und sei es nur, um Eio zu verbieten, dass er herkommt und nach mir Ausschau hält. Wenn er geht, werde ich ihn nicht aus den Augen lassen. Nach meinem heutigen Gespräch mit Onkel Paolo habe ich so ein Gefühl, dass er meinen »Studien« mit Tante Harriet ein Ende bereitet. Das bedeutet dann auch das Ende der Ausreden für meine Abwesenheit. Aber ich habe Eio versprochen, dass ich wiederkomme. Das heißt, ich muss mir etwas Neues einfallen lassen.
Onkel Antonio wird mir helfen einen Weg zu finden.
25
Er verlässt das Gelände noch in derselben Nacht.
Glaubt er wirklich, ich halte mich an mein Versprechen, nicht mehr nach Ai’oa zu gehen? Dann hätten die Wissenschaftler bei ihrem Auftrag, die Elysia-Kandidaten mit überdurchschnittlicher Intelligenz auszustatten, kläglich versagt.
Ich beobachte ihn den ganzen Tag über aus der Ferne. Als er vom Abendbrottisch aufsteht, sage ich Tante Brigid und Tante Nénine, bei denen ich sitze, dass ich früh ins Bett gehen will. In der Hoffnung, dass dies mein Fehlen in der Lounge oder am Pool ausreichend entschuldigt, schleiche ich Onkel Antonio nach.
Er geht in sein Zimmer im Wohngebäude und ich warte im Treppenhaus, bis er wieder herauskommt. Ich trage die Kette, die Eio mir geschenkt hat, der Ausschnitt meines Shirts verdeckt sie. Während des Wartens ziehe ich den Vogel hervor und halte ihn in der Hand. Die glatten Umrisse der Schnitzerei sind mir schon vertraut.
Nach etlichen Minuten schleicht Onkel Antonio in dunkler Kleidung wieder den Flur hinunter. Ihn danach im Auge zu behalten, ist nicht schwer. Hinter den vielen Bäumen auf dem Gelände kann ich mich ausgezeichnet verstecken, während ich ihm nachschleiche. Mehrere Male schaut er zurück, um zu sehen, ob ihm jemand folgt, aber ich lasse mich von meinen Reflexen leiten. Meine Augen registrieren die Drehung seines Kopfes, fast bevor sie erfolgt, und ich ducke mich hinter einen Baum oder Busch, ehe er mich entdecken kann. Schließlich betritt er das Gebäude mit dem Stromgenerator. Ich warte ein paar Sekunden, dann schlüpfe ich lautlos hinter ihm in das Haus.
In dem Raum brennen ringsherum an den Wänden rote Lampen mit gelben Abdeckungen. Die Generatoren sind riesige Zylinder, die Tag und Nacht mit einem Mordsgetöse arbeiten und Little Cam mit Strom versorgen. Die
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