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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Hügel bei den anderen Frauen und schaute fasziniert zu. Die vier Wände lagen flach auf dem Boden und wurden zuerst einzeln zusammengesetzt. Eine Handvoll Männer postierte sich entlang der zukünftigen Westwand, jeweils ein paar Schritte voneinander entfernt. Der Mann, dessen Scheune hier errichtet wurde, Martin Zook, stand etwas weiter weg. Auf sein Kommando hin hoben die anderen den Rahmen der Wand an und richteten ihn langsam auf. Martin stellte sich hinter sie und stützte die Wand mit einem langen Stock, während Aaron sie auf der Gegenseite ebenfalls mit einem Stock sicherte. Zehn andere Männer hämmerten die Wand mit schnellen Stakkatoschlägen fest. Einer ging an dem Zementfundament entlang und setzte in regelmäßigen Abständen mit jeweils einem Hammerschlag Nägel in den unteren Holzträger, während hinter ihm eifrige Schuljungen mit einigen kräftigen Schlägen die Nägel ganz versenkten.
    In den süßen, aromatischen Duft des Bauholzes mischte sich das herbere Aroma von Männerschweiß, als auch die anderen Wände hochgehievt und gesichert wurden. Dann kletterten die Männer nach oben und hämmerten die Dachplanken fest. Ich mußte an die Arbeiter denken, die unser Haus neu gedeckt hatten, als ich sechzehn war: wie sie auf der schwarzen Dachpappe herumgeturnt waren, Tücher um den Kopf gewickelt wie Piraten, mit nacktem Oberkörper, alles bei dröhnend lauter Musik. Diese Männer hier schienen doppelt so hart zu arbeiten wie die Dachdecker damals, und dennoch hatte noch keiner von ihnen in der Hitze auch nur mehr als die Ärmel seines pastellfarbenen Hemdes hochgekrempelt.
    »Ein schöner Tag zum Scheunenbau«, sagte Sarah hinter meinem Rücken zu einer anderen Frau, während sie die langen Picknicktische deckten.
    »Nicht zu heiß, nicht zu kalt«, pflichtete Martin Zooks Frau ihr bei. Sie eilte an Sarah vorbei und stellte eine Platte mit Brathähnchen auf den Tisch. Dann rief sie laut: »Essen kommen!«
    Sofort legten die Männer Hammer und Nägel beiseite, schnallten ihre Zimmermannsgürtel ab und wuschen sich die Hände in einem alten Waschzuber.
    Martin Zook setzte sich, seine Söhne zu beiden Seiten. Nach und nach füllten sich die leeren Plätze am Tisch. Martin senkte den Kopf, und einen Moment lang war nur noch das Quietschen der Bänke und der gleichmäßige Rhythmus des Atems der Männer zu hören. Dann hob Martin den Kopf und griff nach der Platte mit den halben Hähnchen.
    Während des Essens fiel kaum ein Wort. Die Männer waren zu hungrig für irgendwelches Geplauder. »Laßt noch ein bißchen Platz im Magen«, sagte Martins Frau, die sich gerade mit einer neuen Platte Hähnchen über den Tisch beugte. »Sarah hat ihre Kürbispastete gemacht.«
    Als Samuel sprach, fiel es um so mehr auf, weil Schweigen am Tisch herrschte. »Katie«, sagte er, was sie verblüfft zusammenfahren ließ, »ist der Kartoffelsalat von dir?«
    »Aber das weißt du doch«, antwortete Sarah. »Katie ist die einzige, die Tomaten reintut.«
    Samuel nahm sich noch eine Portion. »Das ist gut, inzwischen mag ich ihn nämlich so am liebsten.«
    Die anderen am Tisch aßen weiter, als hätten sie die dunkle Röte nicht bemerkt, die Katie ins Gesicht stieg, und auch nicht Samuels zögerndes Lächeln nach dieser außergewöhnlich öffentlichen Solidaritätsbekundung. Und als die Männer aufstanden und uns mit dem schmutzigen Geschirr zurückließen, starrte Katie noch eine ganze Weile gedankenverloren in Richtung Scheune.
    Die Tupperdosen waren gespült, die Nägel in Papiertüten und die Hämmer unter den Kutschbänken verstaut worden. Die Scheune stand stolz und frisch und gelb da, eine neue Silhouette, die sich gegen den lila verfärbten Himmel abhob.
    »Ellie?«
    Ich wandte mich erstaunt um. »Samuel.«
    Er hielt seinen Hut in den Händen und drehte ihn unablässig. »Ich hab gedacht, vielleicht würden Sie sie sich gerne mal von innen ansehen.«
    »Die Scheune?« Während der Arbeit hatte ich nicht eine einzige Frau auf dem Bauplatz gesehen. »Furchtbar gern.«
    Als ich neben ihm herging, wußte ich nicht recht, was ich sagen sollte. Bei unserem letzten persönlichen Gespräch hatte Samuel wegen Katies Schwangerschaft die Fassung verloren. Schließlich entschied ich mich für die amische Methode – ich sagte gar nichts und ging einfach weiter.
    Von innen wirkte die Scheune noch größer als von außen. Dicke Balken kreuzten sich unter dem Dach, duftendes Kiefernholz, das Jahrzehnte überdauern würde. Das hohe Dach

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