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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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entgegnete ich.
    »Katie«, sagte Sarah mahnend. »Laß Ellie in Ruhe.«
    Ich faltete meinen Quilt so sorgfältig zusammen wie eine Ehrenfahne und drückte ihn an mich. »Siehst du? Sogar deine Mutter ist ganz meiner Meinung.«
    Eine schreckliche Stille breitete sich aus, und fast im selben Moment erkannte ich meinen Fehler. Sarah Fisher war nicht meiner Meinung – mit ihren dreiundvierzig Jahren hätte sie alles dafür gegeben, noch Kinder bekommen zu können, aber die Entscheidung war ihr abgenommen worden.
    Ich sah sie an. »Es tut mir leid. Das war taktlos von mir.«
    Sarah schwieg einen Augenblick lang, dann zuckte sie die Achseln und nahm meinen Quilt. »Soll ich ihn für dich bügeln?« fragte sie und war aus dem Zimmer, bevor ich erwidern konnte, daß ich es schöner fände, wenn sie es sich einfach gemütlich machen würde.
    Ich sah mich um, aber Katie und Aaron und Elam erweckten ganz den Eindruck, als wären meine gedankenlosen Worte nie gefallen.
    Plötzlich klopfte es an der Tür, und ich stand auf, um aufzumachen. Die Blicke, die Aaron und Elam wechselten, verrieten mir, daß sie Besuch zu so später Stunde für ein schlechtes Zeichen hielten. Ich streckte gerade die Hand aus, als die Tür aufflog. Draußen stand Jacob Fisher. Er sah meinen verblüfften Blick, und ein gequältes, nervöses Lächeln umspielte seinen Mund. »He, Mom, ich bin wieder da«, warf er in den Raum. »Was gibt’s zum Abendessen?«
    Sarah kam als erste herbeigelaufen, angelockt von der Stimme ihres Kindes, das sie seit Jahren nicht gesehen hatte. Beide Hände vor dem Mund, die Augen tränennaß und strahlend, war sie nur noch einen Meter von Jacob entfernt, als Aaron sie festhielt und sagte: »Nein.«
    Er trat auf seinen Sohn zu, und Sarah wich gehorsam zurück. »Du bist hier nicht mehr willkommen.«
    »Warum, Dad?« fragte Jacob. »Bestimmt nicht, weil der Bischof es verlangt. Und wer bist du, daß deine Regeln stärker sind als die Ordnung?« Er kam näher. »Ich habe Sehnsucht nach meiner Familie.«
    Sarah keuchte. »Kommst du zurück in die Gemeinde?«
    »Nein, Mam, das kann ich nicht. Aber ich wünsche mir so sehr, in meine Familie zurückzukommen.«
    Aaron stand Auge in Auge mit seinem Sohn. Schließlich wandte er sich wortlos um und ging aus dem Zimmer. Sekunden später schlug hinten im Haus krachend eine Tür zu.
    Elam klopfte Jacob auf die Schulter, dann bewegte er sich langsam in die Richtung, in die sein eigener Sohn gegangen war. Sarah, der Tränen übers Gesicht liefen, streckte ihrem ältesten Kind die Hände entgegen. »Ach, ich kann es noch gar nicht glauben. Ich kann gar nicht glauben, daß du es wirklich bist.«
    Als ich sie ansah, begriff ich plötzlich, wieso eine Mutter alles für ihr Kind tun würde. Sarahs Finger betasteten Jacobs Gesicht: bartlos, älter, verändert. »Mein Junge«, flüsterte sie. »Mein hübscher Junge.«
    In diesem Moment sah ich die junge Frau, die sie mit achtzehn gewesen war – schlank und stark, wie sie ihrem frisch angetrauten Mann scheu dieses kleine Neugeborene hinhält. Sie drückte Jacobs Hände, wollte ihn ganz für sich allein, sogar als Katie ihm um den Hals fiel. Jacob sah mich über die Köpfe der Frauen hinweg an. »Ellie, schön, Sie wiederzusehen.«
    Jacob hatte sich prompt einverstanden erklärt, als Leumundszeuge für Katie auszusagen – da ihre Eltern auf gar keinen Fall einen Fuß in den Zeugenstand setzen würden. Ich hatte noch an diesem Tag an seiner Vernehmung gearbeitet. Allerdings hatte ich vorgehabt, sie in State College mit ihm durchzugehen, weil ich geglaubt hatte, es wäre zu schwierig gewesen, ihn in die Nähe der Farm zu holen, ohne Aarons Argwohn zu wecken. Aber jetzt sah es ganz so aus, als spielte Jacob nach seinen eigenen Regeln.
    Er ließ sich von Sarah in die Küche führen, wo sie ihm eine heiße Schokolade machte und ihm einen von den Muffins anbot, die sie am Morgen gebacken hatte. Mir fiel auf, daß die getauften Familienmitglieder stehenblieben, als er sich zum Essen niederließ. So glücklich sie auch über sein Kommen waren, sie brachten es dennoch nicht über sich, mit einem exkommunizierten Amischen an einem Tisch zu sitzen.
    »Wieso bist du hergekommen?« fragte Katie.
    »Es wurde langsam Zeit«, antwortete Jacob. »Ich meine, es wurde langsam Zeit, daß du und Mam mich mal wiedersehen.«
    Sarah wandte den Blick ab. »Dein Vater war schrecklich zornig, als er herausgefunden hat, daß Katie dich all die Jahre besucht hat. Wir waren

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