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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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herausgefunden hatte, daß Katie Fisher ihn betrogen hatte. Aber Samuel Stoltzfus wohnt zehn Meilen von der Farm der Fishers entfernt bei seinen Eltern, die mir bestätigten, daß er während der Zeitspanne, in der laut Befund der Gerichtsmedizin der Tod eintrat, zu Hause in seinem Bett lag. Dann dachte ich mir, daß es vielleicht genau umgekehrt war – daß diese Information eher die Angeklagte belastete. Das war schließlich ein Motiv: amisches Mädchen, amische Eltern, amischer Freund – und sie wird von einem anderen schwanger? Das wäre doch eine Erklärung dafür, die Geburt vertuschen und vielleicht sogar das Kind loswerden zu wollen.«
    »Haben Sie noch andere Zeugen vernommen?«
    »Ja, Levi Esch, den zweiten Farmarbeiter. Er hat gesagt, daß die Angeklagte in den letzten sechs Jahren immer wieder heimlich nach State College gefahren ist, um dort ihren Bruder zu besuchen. Jacob Fisher lebte nicht mehr wie die Amischen, sondern wie ein ganz normaler Student.«
    »Wieso war das von Bedeutung?«
    Lizzie lächelte. »Es ist viel einfacher, einen anderen Mann kennenzulernen, wenn einem eine neue Welt offensteht – eine, in der es Alkohol und Partys und Make-up gibt.«
    »Haben Sie auch mit Jacob Fisher gesprochen?«
    »Ja, das habe ich. Er bestätigte die Besuche der Angeklagten und sagte, er habe nichts von der Schwangerschaft seiner Schwester gewußt. Er erzählte mir auch, daß die Angeklagte ihn deshalb hinter dem Rücken ihres Vaters besuchen mußte, weil er zu Hause nicht mehr willkommen war.«
    George spielte den Erstaunten. »Warum das?«
    »Die Amischen gehen nur bis zur achten Klasse zur Schule, aber Jacob wollte studieren. Daraufhin wurde er aus der amischen Gemeinde ausgeschlossen. Aber Aaron Fisher ging die Strafe noch nicht weit genug, und er hat Jacob verstoßen. Sarah Fisher hat sich der Entscheidung ihres Mannes zwar gebeugt, aber heimlich ihre Tochter zu Jacob geschickt.«
    »Inwiefern hat das Ihre Meinung zu dem Fall beeinflußt?«
    »Mit einem Mal«, sagte Lizzie, »war alles viel klarer. Wenn ich die Angeklagte gewesen wäre und mein eigener Bruder wegen einer solchen Bagatelle verstoßen worden wäre, dann wäre ich besonders darauf bedacht gewesen, mich an die Regeln zu halten. Und mir scheint, ein uneheliches Kind zu bekommen ist ein schwererer Verstoß gegen die Regeln, als heimlich Shakespeare zu lesen. Das bedeutet, sie mußte damit rechnen, aus ihrer Familie und ganz sicher aus ihrer Gemeinde verbannt zu werden, wenn es ihr nicht gelang, die Schwangerschaft zu verbergen. Also verbarg sie sie acht Monate lang. Dann bekam sie das Kind – und verbarg auch das.«
    »Konnten Sie die Identität des Vaters feststellen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie andere mögliche Verdächtige in Erwägung gezogen?«
    Lizzie seufzte. »Ich habe es versucht. Aber da paßte einfach zu vieles nicht zusammen. Die Geburt fand zweieinhalb Monate zu früh statt, und das an einem Ort ohne Telefon und Stromanschluß. Das bedeutet, daß sie niemanden hätte anrufen können, daß niemand davon wissen konnte, es sei denn, er lebte auf der Farm und hörte die Angeklagte in den Wehen. Und wie groß stehen die Chancen, daß ein Fremder unangemeldet um zwei Uhr morgens auf einer amischen Farm auftaucht? Selbst wenn dem so gewesen wäre, wieso hätte ein Fremder das Kind töten sollen? Und welchen Grund hätte die Angeklagte haben sollen, das nicht zu erzählen?
    Damit blieben also nur noch die Familienangehörigen. Von denen hatte mich jedoch nur eine einzige belogen, indem sie sowohl die Schwangerschaft als auch die Entbindung abgestritten hatte. Nur für eine einzige wären die Folgen schrecklich gewesen, wenn sich das mit dem Baby herumgesprochen hätte. Und nur für eine einzige lagen uns Beweise vor, daß sie am Tatort gewesen war.« Lizzie blickte kurz zur Verteidigung hinüber. »Meiner Meinung nach beweisen die Fakten eindeutig, daß Katie Fisher ihr Neugeborenes erstickt hat.«
    Als Ellie Hathaway aufstand, um ihr Kreuzverhör zu beginnen, straffte Lizzie die Schultern. Sie mußte daran denken, was George ihr von der Anwältin erzählt hatte, daß sie knallhart war und selbst dem verstocktesten Zeugen noch Antworten entlocken konnte. Wenn sie sie ansah, glaubte Lizzie ihm aufs Wort. Sie selbst konnte es mit den Männern in ihrer Abteilung durchaus aufnehmen, aber mit dem kurzen Haar und dem streng geschnittenen Kostüm erweckte Ellie Hathaway den Eindruck, als wären ihr alle weicheren Züge schon vor langer Zeit

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