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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Kopf, und sofort wurde mir wieder schlecht. »Dann wäre ich nicht mitgekommen.«
    »Katie kann das auch nicht«, gab Sarah zu. »Ich hab dich gebeten, weil es einem nach dem ersten so schwerfällt, wieder reinzugehen und das zweite rauszuholen.« Sie tätschelte meinen Arm; auf ihrem Handgelenk war ein Blutspritzer. Ich schloß die Augen.
    Ich hörte Sarah hinter mir, wie sie die schlaffen Körper der Hühner in heißes Wasser tauchte. »Der Eintopf mit Klößen«, sagte ich zögernd. »Die Nudelsuppe …?«
    »Natürlich«, erwiderte Sarah. »Was meinst du denn, wo die Hühner herkamen?«
    Ich wiegte den Kopf in den Händen, wollte nicht an all die Rinderbraten und Hamburger aus Rinderhack denken, die wir gegessen hatten, an die kleinen Bullenkälber, die ich inzwischen auf der Farm hatte zur Welt kommen sehen. Man sieht nur, was man sehen will – so, wie Sarah blind für Katies Schwangerschaft gewesen war oder wie Geschworene einen Freispruch von der Aussage eines einzigen sympathischen Zeugen abhängig machen oder, wie ich nicht zugeben wollte, daß die Verbindung zwischen Coop und mir über die körperliche Tatsache hinausging, daß wir gemeinsam ein Kind gezeugt hatten.
    Ich blickte auf und sah Sarah, die die Hühner rupfte, die Lippen fest aufeinandergepreßt. Auf ihrer Schürze und dem Rock lagen lauter weiße Federchen; eine rote Blutspur versikkerte ganz langsam in der Erde vor ihr. Ich schluckte die Galle runter, die mir in die Kehle stieg. »Wie schaffst du das bloß?«
    »Ich tue, was ich tun muß«, sagte sie sachlich. »Gerade du müßtest das doch verstehen.«
    Ich hatte in der Milchkammer Zuflucht gesucht, als Coop mich am selben Nachmittag suchen kam. »El, stell dir vor –« Seine Augen weiteten sich, als er mich sah, und er kam zu mir gelaufen, strich mir über die Arme. »Wie konnte das passieren?«
    Er wußte es. Himmel, ein Blick auf mich hatte genügt, und er wußte von dem Baby. Ich schluckte und sah ihn an. »Na auf die übliche Art und Weise, nehme ich an.«
    Coop zupfte an meinem T-Shirt und rieb über den leuchtend roten Streifen darauf. »Wann hast du zuletzt eine Tetanusspritze gekriegt?«
    Es sprach gar nicht von dem Baby. Es sprach nicht von dem Baby .
    »Doch, natürlich«, sagte Coop, und ich begriff, daß ich laut gedacht hatte. »Aber, Herrgott noch mal, der dämliche Prozeß kann jetzt waren. Zuerst lassen wir dich mal verarzten.«
    Ich stieß Coops Hand weg. »Ich hab nichts. Das Blut ist nicht von mir.«
    Coop zog die Stirn kraus. »Hast du wieder jemanden umgebracht?«
    »Sehr witzig. Ich hab geholfen, Hühner zu töten.«
    »Diese uralten heidnischen Rituale würde ich an deiner Stelle vernachlässigen, bis du deine Verteidigung abgeschlossen hast, aber dann –«
    »Erzähl mir von ihm, Coop«, sagte ich mit Nachdruck.
    »Er will Antworten haben. Schließlich ist der Mann noch am selben Tag ins Flugzeug gesprungen, an dem er erfahren hat, daß er Vater ist – aber er will Katie und das Baby sehen.«
    Mir klappte der Unterkiefer runter. »Du hast ihm nicht erzählt –«
    »Nein. Ich bin Psychologe. Ich bin nicht bereit, jemandem psychische Belastungen zuzumuten, wenn ich nicht persönlich da bin, um ihm dabei zu helfen, sie zu verarbeiten.«
    Als Coop sich abwandte, legte ich meine Hand auf seine Schulter. »Ich hätte das gleiche getan. Nur mein Motiv wäre nicht Rücksichtnahme, sondern Egoismus gewesen. Ich will, daß er aussagt, und wenn ich ihn auf diese Weise herlocken kann, um so besser.«
    »Das wird nicht leicht für ihn werden«, murmelte Coop.
    »Für Katie war es auch kein Honiglecken.« Ich richtete mich auf. »Hat er Jacob schon getroffen?«
    »Er kommt gerade erst vom Flughafen. Ich hab ihn in Philadelphia abgeholt.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    »Er wartet im Auto.«
    »Im Auto?« stammelte ich. »Hier? Bist du verrückt?«
    Coop grinste. »Ich denke, ich kann dir mit einiger Gewißheit sagen, daß ich das nicht bin.«
    Ich war nicht in der richtigen Stimmung für seine Witzeleien und marschierte aus dem Stall. »Wir müssen ihn hier wegbringen, sofort.«
    Coop holte mich ein und ging neben mir her. »Vielleicht möchtest du dir vorher noch was anderes anziehen«, sagte er. »Nur ein Vorschlag – aber im Augenblick siehst du aus, als hättest du einen Horrorfilm gedreht, und du weißt doch, wie wichtig der erste Eindruck ist.«
    Ich nahm seine Worte kaum wahr. Statt dessen überlegte ich, wie oft ich an diesem Tag wohl gezwungen sein würde, einem Mann das

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