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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Seite an Seite für den Lebensunterhalt.« Er lächelte Katie an. »Man lernt einander schrecklich gut kennen, wenn man jeden Morgen um halb fünf zusammen aufsteht, um den Kuhstall auszumisten.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, stimmte Ellie zu. »Sind Sie und Ihre Schwester die einzigen Kinder?«
    Jacob senkte den Blick. »Wir hatten eine kleine Schwester. Hannah ist ertrunken, als sie sieben Jahre alt war.«
    »Das muß für alle hart gewesen sein.«
    »Sehr«, bestätigte Jacob. »Katie und ich haben damals auf sie aufgepaßt und uns die Schuld an ihrem Tod gegeben. Vielleicht hat uns das noch enger zusammengeschweißt.«
    Ellie nickte verständnisvoll. »Was passierte, nachdem Sie aus der Gemeinde ausgeschlossen worden waren?«
    »Es war, als hätte ich noch eine Schwester verloren«, sagte Jacob. »Von einem Tag auf den anderen war Katie völlig aus meinem Leben verschwunden. In den ersten Wochen am College habe ich die Farm und meine Eltern und meine Kutsche vermißt, aber am meisten fehlte mir Katie. Ich hatte immer mit ihr über alles gesprochen, und plötzlich war ich in einer neuen Welt voller fremder Eindrücke, Klänge und Lebensweisen, und ich konnte ihr nichts davon erzählen.«
    »Was haben Sie gemacht?«
    »Etwas sehr Unamisches: Ich habe mich gewehrt. Ich habe Verbindung zu meiner Tante aufgenommen, die die Gemeinde verlassen hatte, als sie einen Mennoniten geheiratet hatte. Ich wußte, daß sie meiner Mutter und Katie Nachrichten von mir übermitteln konnte, ohne daß mein Vater etwas davon merkte. Meine Mutter konnte mich nicht besuchen – sie hätte auf keinen Fall gegen die Wünsche ihres Mannes gehandelt –, aber sie hat Katie als Gesandte ihres guten Willens zu mir geschickt, etwa einmal im Monat und das mehrere Jahre lang.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß Katie sich aus dem Haus geschlichen hat, ihren Vater belogen hat und Hunderte von Meilen gereist ist, um bei Ihnen in einem Studentenwohnheim zu wohnen?«
    Jacob nickte. »Ja.«
    »Ich bitte Sie«, sagte Ellie spöttisch. »Ein Studium wird von der Gemeinde verboten – aber das, was Katie gemacht hat, gebilligt?«
    »Zu der Zeit war sie noch nicht getauft, also hat sie nicht gegen irgendwelche Regeln verstoßen, wenn sie mit mir zusammen gegessen hat, mit mir Umgang pflegte, mit mir im Auto gefahren ist. Sie blieb einfach mit ihrem Bruder in Verbindung. Ja, sie hat ihre Reisen vor meinem Vater verschwiegen. Aber meine Mutter wußte, wohin sie fuhr, und hat es unterstützt. Ich habe es nie so gesehen, daß Katie unsere Eltern bewußt belogen oder verletzt hat; in meinen Augen hat sie einfach getan, was sie konnte, damit wir weiter Kontakt hatten.«
    »Wenn sie Sie in State College besucht hat, hat sie dann –« Ellie lächelte die Geschworenen an. »Nun, wie soll ich sagen – so richtig auf den Putz gehauen?«
    »Ganz und gar nicht. Am Anfang hatte sie das Gefühl, aufzufallen wie eine bunte Kuh. Sie verkroch sich bei mir in der Wohnung und wollte, daß ich ihr aus meinen Büchern vorlas. Ich habe ihr angemerkt, daß sie sich in den amischen Sachen unter all den Studenten unwohl fühlte, also habe ich ihr als erstes normale englische Sachen zum Anziehen gekauft. Jeans, ein paar T-Shirts. So was eben.«
    »Aber haben Sie nicht eben gesagt, daß es zu den Regeln der Gemeinde gehört, sich in einer bestimmten Weise zu kleiden?«
    »Ja. Aber ich habe auch gesagt, daß Katie noch nicht amisch getauft war und deshalb gegen keinerlei Regeln verstieß. Die Amischen erwarten sogar von ihren Kindern, daß sie gewisse Erfahrungen machen, bevor sie das Taufgelübde ablegen. Eine Kostprobe von dem, was in der Welt da draußen so los ist. Teenager, die amisch erzogen wurden, tragen Jeans, ziehen mit ihren Freunden durch die Gegend, gehen ins Kino – trinken vielleicht sogar ein paar Bier.«
    » Amische Teenager machen so was?«
    Jacob nickte. »Mit fünfzehn oder sechzehn kommt man in die wilden Jahre, in denen man sich einer Clique anschließt. Sie können mir glauben, viele amische Jugendliche machen weitaus gewagtere Sachen, als Katie sie erlebt hat, wenn sie bei mir an der Penn State war. Wir haben keine Drogen genommen oder uns betrunken oder sind von einer Party zur nächsten gezogen. Ich habe hart dafür gearbeitet, studieren zu können, und ich habe dafür einige schmerzhafte Entscheidungen treffen müssen. Ich war nicht auf dem College, um mich auszutoben, sondern um zu lernen. Und genau das hat auch Katie überwiegend getan, wenn sie bei

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