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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Sünde vorgeworfen?«
    »Ja. Der Diakon und der Bischof, sie haben mich aufgefordert, vor der Gemeinde kniend ein Bekenntnis abzugeben.«
    »Was ist geschehen, nachdem Sie bekannt hatten, ein Kind empfangen zu haben?«
    »Ich wurde eine Zeitlang unter Bann gestellt, um darüber nachzudenken, was ich getan hatte. Nach sechs Wochen versprach ich, mich wieder in die Gemeinde einzufügen.« Sie lächelte. »Sie haben mich wieder aufgenommen.«
    »Katie, haben der Diakon und der Bischof Sie aufgefordert, auch die Tötung Ihres Kindes zu bekennen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Das wurde mir nicht zur Last gelegt.«
    »Dann haben die Menschen in Ihrer Gemeinde also nicht geglaubt, daß Sie sich der Sünde eines Mordes schuldig gemacht haben?« Katie schüttelte den Kopf. »Sie müssen laut antworten«, sagte Ellie.
    »Nein, das haben sie nicht geglaubt.«
    Ellies Absätze klackten auf dem Parkett, als sie zurück zum Tisch der Verteidigung ging. »Erinnern Sie sich, was in der Nacht passiert ist, als Sie niedergekommen sind?«
    »Nicht genau. Es wird nach und nach mehr.«
    »Warum ist das so?«
    »Dr. Cooper sagt, meine Psyche kann nicht zuviel auf einmal ertragen.« Sie biß sich auf die Unterlippe. »Ich hab irgendwie zugemacht, nachdem es passiert war.«
    »Nachdem was passiert war?«
    »Nachdem das Baby gekommen war.«
    Ellie nickte. »Wir haben schon von einigen Leuten verschiedene Versionen gehört, aber ich denke, die Geschworenen würden gern aus Ihrem Munde hören, was in jener Nacht geschehen ist. Wußten Sie, daß Sie schwanger sind?«
    Katie hatte plötzlich das Gefühl, in Gedanken rückwärts zu taumeln, bis sie die harte, kleine Schwellung des Babys in ihrem Bauch unter ihren Handflächen spüren konnte. »Ich wollte und konnte nicht glauben, daß ich schwanger war«, sagte sie leise. »Ich hab es erst geglaubt, als ich die Sicherheitsnadeln an meiner Schürze versetzen mußte.«
    »Haben Sie irgendwem davon erzählt?«
    »Nein. Ich habe es aus meinem Kopf verdrängt.«
    »Wieso?«
    »Ich hatte Angst. Meine Eltern sollten nicht erfahren, was passiert war.« Sie holte tief Luft. »Ich habe darum gebetet, daß ich mich vielleicht getäuscht habe.«
    »Erinnern Sie sich an die Geburt?«
    Katie erinnerte sich an die brennenden Schmerzen, die ihr vom Rücken in den Bauch schossen. »Zum Teil«, sagte sie. »Der Schmerz, und daß das Stroh im Rücken gepiekst hat … aber manche Zeitabschnitte sind wie ausgelöscht.«
    »Wie war Ihnen dabei zumute?«
    »Ich hatte Angst«, flüsterte sie. »Große Angst.«
    »Erinnern Sie sich an das Baby?« fragte Ellie.
    Daran erinnerte sie sich so gut, als wäre es ihr in die Augenlider eingebrannt. Der kleine, zarte Körper, nicht viel größer als ihre Hand, wie er trat und hustete und die Ärmchen nach ihr ausstreckte. »Er war wunderschön. Ich hab ihn aufgehoben. Ihn gehalten. Ihm den Rücken gerieben. Er hatte ganz winzige Knöchelchen. Und sein Herz schlug gegen meine Hand.«
    »Was hatten Sie mit ihm vor?«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube, ich hätte ihn zu meiner Mutter gebracht; ihn in irgendwas eingewickelt, damit er es warm hat … aber ich bin eingeschlafen, bevor ich das tun konnte.«
    »Sie sind ohnmächtig geworden.«
    »Ja.«
    »Hatten Sie das Baby da noch im Arm?«
    »Oh ja«, sagte Katie.
    »Was ist danach passiert?«
    »Ich bin aufgewacht. Und das Baby war fort.«
    Ellie legte die Stirn in Falten. »Fort? Was haben Sie da gedacht?«
    Katie preßte die Hände ineinander. »Daß es ein Traum war«, erwiderte sie.
    »Sprach irgend etwas dagegen?«
    »Auf meinem Nachthemd war Blut, und auch ein bißchen im Stroh.«
    »Was haben Sie gemacht?«
    »Ich bin zum Teich gegangen und habe es ausgewaschen«, sagte Katie. »Dann bin ich in mein Zimmer zurückgekehrt.«
    »Warum haben Sie niemanden geweckt oder einen Arzt aufgesucht oder haben das Baby gesucht?«
    Ihre Augen glänzten vor Tränen. »Ich weiß es nicht. Ich hätte das machen sollen. Das weiß ich inzwischen.«
    »Was ist passiert, als Sie am nächsten Morgen aufgewacht sind?«
    Sie wischte sich mit der Hand über die Augen. »Es war alles wie immer«, sagte sie mit gebrochener Stimme. »Wenn alle etwas komisch geguckt hätten, wenn es mir nicht gutgegangen wäre, dann hätte ich vielleicht nicht …« Ihre Stimme verlor sich, und sie blickte weg. »Ich hab gedacht, daß ich mir das alles vielleicht nur eingebildet hatte, daß das alles nicht passiert war. Ich wollte das glauben, weil ich mich dann nicht

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