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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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der aus den Schränken und Kommoden und der Bettwäsche drang. Es hatte etwas so Leichtes an sich, so Vertrautes – und die Welt, in die ich mich begeben hatte, war fremd, wohin ich auch schaute. Etwas zu sehen, das ich wiedererkannte, jemanden, den ich geliebt hatte, würde meine Beschäftigung mit Katie wieder zu dem machen, was sie sein sollte: meine Arbeit, nicht mein Leben. Ich packte das Telefon fester und schloß die Augen. »Vielleicht«, hörte ich mich flüstern, »sollten wir erst mal abwarten, was weiter passiert.«
    Ich fand Sarah allein im Wohnzimmer, den Kopf über den Quilt geneigt. »Tut mir leid. Das mit dem Telefon.«
    Sie winkte ab. »Halb so schlimm. Martha Stoltzfus’ Ehemann hat sogar eins in seiner Scheune, für Geschäftliches. Rachel wollte sich nur wichtig machen.« Mit einem Seufzer stand sie auf und fing an, die Garnrollen einzusammeln. »Dann räum ich das jetzt mal weg.«
    Ich ergriff den Stoff an zwei Ecken, um ihr beim Zusammenlegen zu helfen. »Die Quilt-Runde hat sich sehr schnell aufgelöst. Ich hoffe, ich war nicht der Grund dafür.«
    »Ich denke, die wäre heute sowieso schnell zu Ende gewesen«, entgegnete Sarah energisch. »Ich hab Katie rausgeschickt, Wäsche aufhängen, falls du sie suchst.«
    Ich spürte, wann jemand wollte, daß ich gehe. Doch in der Tür zur Küche wandte ich mich noch einmal um. »Wieso zweifelt Rachel Lapp an Katie?«
    »Das kannst du dir doch selbst denken.«
    »Na ja, ich meine, mal abgesehen vom Naheliegenden. Zumal sich doch euer Bischof für sie eingesetzt hat …«
    Sarah legte den Quilt auf ein Regalbrett und drehte sich zu mir um. Obwohl sie ihre Gefühle bewundernswert gut verbergen konnte, loderte die Kränkung, daß ihre Freundinnen ihre Tochter brüskiert hatten, in ihren Augen. »Wir sehen gleich aus. Wir beten gleich. Wir leben gleich«, sagte sie. »Aber das bedeutet noch lange nicht, daß wir gleich denken.«
    Große, weiße Segel flatterten bereits im Wind an der Wäscheleine. Die Laken schlangen ihre weiten Arme um Katie. Als sie mich sah, trat sie von der Wäscheleine zurück und warf die übrig gebliebenen Klammern in einen Eimer. »Klar, daß du kommst, wenn ich gerade fertig bin«, maulte sie und setzte sich neben mich auf die Steinmauer.
    »Du hast das auch ohne mich prima hingekriegt.« An einer Leine hing ein Regenbogen aus Hemden und Kleidern: dunkelgrün, weinrot, lavendel, limonengelb. Daneben hingen Bettlaken und drückten ihre aufgeblähten Bäuche vor. »Früher hat bei uns meine Mutter die Wäsche aufgehängt«, sagte ich lächelnd. »Ich weiß noch, wie ich mit Stöcken auf die Laken losgegangen bin und so getan habe, als wäre ich ein Ritter.«
    »Keine Prinzessin?«
    »Nie. Die sind doch langweilig.« Ich lachte. »Ich hatte jedenfalls keine Lust, auf irgendeinen Prinzen zu warten, wo ich mich doch wunderbar selbst retten konnte.«
    »Hannah und ich, wir haben zwischen den Laken immer Verstecken gespielt. Aber dabei haben wir Staub aufgewirbelt, und wir mußten alles noch mal waschen.«
    Ich legte den Kopf in den Nacken und ließ den Wind über mein Gesicht streichen. »Ich hab immer geglaubt, daß man die Sonne riechen konnte, wenn man die Betten bezog.«
    »Aber ja, das kann man!« sagte Katie. »Der Stoff saugt sie auf, wenn die Feuchtigkeit verfliegt. Jede Aktion hat eine gleich starke und gegenläufige Reaktion.«
    Newtons physikalische Gesetze erschienen mir ein bißchen hoch für den Stoff bis zur achten Klasse, mit der Katie, wie die meisten amischen Kinder, von der Schule abgegangen war. »Ich bin erstaunt, daß du Physik hattest.«
    »Hatte ich auch nicht. Das hab ich bloß mal gehört.«
    Gehört? Von wem? Dem amischen Wissenschaftler aus der Gemeinde? Bevor ich sie fragen konnte, sagte sie: »Ich muß jetzt in den Garten.«
    Ich folgte ihr und sah ihr dabei zu, wie sie Bohnen pflückte und in ihrer Schürze sammelte. Sie schien ganz versunken in ihre Arbeit, so sehr, daß sie zusammenfuhr, als ich sie ansprach. »Katie, verstehst du dich sonst gut mit Rachel?«
    »Ja. Ich passe oft auf Klein-Joseph auf. Wenn wir am Quilt arbeiten und manchmal sogar während des Gottesdienstes.«
    »Na ja, heute hat sie dich aber nun wirklich nicht wie ihre Lieblings-Babysitterin behandelt.«
    »Nein, aber Rachel hört immer darauf, was andere sagen, anstatt den Dingen selbst auf den Grund zu gehen.« Katie stockte. »Es ist mir egal, was Rachel sagt, weil die Wahrheit früher oder später ans Licht kommt. Aber es macht

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