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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Netzanschluß arbeiten, bis der Akku wieder aufgeladen war. Ein Netzanschluß … den es hier im Haus nirgends gab.
    Plötzlich wurde mir klar, was es für mich als Anwältin bedeutete, auf einer amischen Farm zu arbeiten. Ich sollte eine Verteidigung für meine Klientin erarbeiten, und das ohne die alltäglichen Hilfsmittel, die Anwälten ansonsten zur Verfügung stehen. Wütend – auf mich, auf Richter Gorman – griff ich nach meinem Handy, um ihn anzurufen. Ich schaffte es gerade noch, die ersten drei Nummern zu wählen, dann gab auch das Telefon seinen Geist auf.
    »Verdammt!« Ich schleuderte das Handy so fest auf die Bettdecke, daß es abprallte und zu Boden fiel. Ich hatte nicht mal ein Ladegerät mit; ich würde es am Zigarettenanzünder im Auto aufladen müssen. Und natürlich war das nächste Auto, das von Leda, gut zwanzig Meilen weit weg.
    Leda. Ja, das wäre eine Lösung. Ich könnte bei ihr arbeiten. Aber es war eine schwierige Lösung, da Katie die Farm nicht verlassen durfte. Vielleicht, wenn ich den Antrag mit der Hand schrieb …
    Plötzlich hielt ich inne: Wenn ich den Antrag mit der Hand schrieb oder wenn es mir gelang, mein Telefon wieder funktionsfähig zu machen und den Richter anzurufen, dann würde er mir erklären, daß die Kautionsbedingungen nicht umsetzbar waren und daß Katie bis zum Beginn des Prozesses in Haft bleiben sollte. Ich mußte also selbst einen Ausweg finden.
    Entschlossen stand ich auf und ging nach unten, in Richtung Stall.
    Von Katie hatte ich gelernt, daß die Kühe im Sommer nicht jeden Tag nach draußen gelassen wurden, weil es zu heiß war. Und als ich jetzt in den Stall trat, waren die Tiere angekettet und muhten mich an. Eines kam auf die Beine, das Euter prall und rosa, so daß ich an Katie und die letzte Nacht denken mußte. Ich wandte mich ab, ging zwischen den beiden Reihen von Kühen hindurch und hielt nach einer Möglichkeit Ausschau, meinen Computer wieder in Gang zu bringen.
    Mir war aufgefallen, daß auf einer amischen Farm die Regeln immer dann locker gehandhabt wurden, wenn es wirtschaftlich notwendig war. So rührte beispielsweise ein Zwölf-Volt-Motor die Milch im Kühltank, der in der altertümlichen Milchkammer stand; und die Melkmaschinen wurden von einer Dieselmaschine angetrieben, die zweimal täglich lief. Diese technischen Hilfsmittel dienten weniger der weltlichen Bequemlichkeit als der Konkurrenzfähigkeit der Amischen im Vergleich zu anderen Milchproduzenten. Ich verstand nicht viel von Diesel- oder Benzinmotoren, aber vielleicht konnte ich mein Laptop ja an einen anschließen?
    »Was machen Sie hier?«
    Als Aarons Stimme ertönte, fuhr ich zusammen und wäre fast mit dem Kopf gegen einen der Stahlarme am Tank gestoßen. »Oh! Sie haben mich erschreckt.«
    »Suchen Sie was Bestimmtes?« fragte er.
    »Ja, ich suche wirklich etwas. Ich muß einen Akku aufladen.«
    Aaron nahm seinen Hut ab und rieb sich mit dem Hemdsärmel über die Stirn. »Einen Akku?«
    »Ja, für meinen Computer. Wenn Sie möchten, daß ich Ihre Tochter angemessen verteidige, dann muß ich mich auch auf den Prozeß vorbereiten können. Und dazu gehört nun mal, daß ich zuvor einige Anträge schreibe.«
    »Ich schreibe ohne Computer«, antwortete Aaron und ging weg.
    Ich lief hinter ihm her. »Sie vielleicht, aber der Richter erwartet etwas anderes.« Zögernd fügte ich hinzu: »Ich bitte ja gar nicht um einen Netzanschluß im Haus oder um Zugang zum Internet oder ein Faxgerät – aber Sie müssen doch einsehen, daß es ziemlich unfair ist, wenn ich mich auf ein Ereignis in der englischen Welt auf amische Weise vorbereiten soll.«
    Aaron blickte mich aus dunklen, unergründlichen Augen an. »Wir werden mit dem Bischof darüber sprechen. Er kommt heute her.«
    Meine Augen wurden größer. »Ach ja? Deshalb?«
    Aaron wandte sich ab. »Wegen anderer Dinge«, sagte er.
    Ohne ein Wort scheuchte Aaron mich in die Kutsche. Katie wartete schon hinten, und ihre Miene verriet mir, daß auch sie nicht wußte, was vor sich ging. Aaron setzte sich rechts neben Sarah, griff nach den Zügeln, schnalzte mit der Zunge, und das Pferd trabte an.
    Hinter uns rollte noch eine weitere Kutsche – die, mit der Samuel und Levi zur Arbeit kamen. Im Konvoi fuhren wir über Straßen, die ich nicht kannte, vorbei an Farmen und durch Felder, auf denen noch Männer arbeiteten, bis wir schließlich an einer kleinen Kreuzung hielten, an der schon einige andere Kutschen standen.
    Der Friedhof war

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