Die einzige Wahrheit
Toilettendeckel saß.
Ellie preßte die Lippen aufeinander und ging vor ihr in die Hocke. »Zum Donnerwetter, du lebst auf einer Milchfarm. Du weißt genau, was mit dir los ist. Du … hast … ein Kind … bekommen. «
Katie schüttelte den Kopf. »Mei Hatz iss voll.«
Ellie wandte sich an Sarah. »Was sagt sie?«
Die ältere Frau streichelte ihrer Tochter übers Haar. »Daß da keine Milch ist und daß da kein Baby war. Katie sagt, das alles passiert nur«, übersetzte Sarah, »weil ihr Herz zu voll ist.«
6
Ellie
L assen Sie mich eines klarstellen: Ich kann nicht nähen. Man gebe mir Nadel und Faden und eine Hose, die umgenäht werden muß, und es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, daß ich mir den Stoff an den Daumen nähe. Strümpfe mit Löchern drin schmeiße ich weg.
Das nur vorweg, um zu erklären, warum ich nicht begeistert war, als Sarah mich einlud, an der Quilt-Runde teilzunehmen, die in ihrem Haus stattfand. Seit der letzten Nacht war die Stimmung zwischen uns gespannt gewesen. Am Morgen hatte sie Katie wortlos ein langes Stück weißen Musselin gegeben, das sie sich umbinden sollte. Eine Einladung zur Quilt-Runde war ein gewisses Entgegenkommen, eine freundliche Geste, mit der sie mir erstmals die Hand entgegenstreckte. Es war zudem die Bitte, die letzte Nacht auf sich beruhen zu lassen.
»Du mußt ja nicht nähen«, sagte Katie zu mir und zog mich mit in das Zimmer. »Du kannst uns einfach zusehen.«
Außer den Fishers waren noch vier Frauen da: Levis Mutter Anna Esch, Samuels Mutter Martha Stoltzfus und zwei Cousinen von Sarah, Rachel und Louise Lapp, die beide jünger waren und ihre Kleinsten mitgebracht hatten – einen Säugling und ein Kleinkind, das vor Rachels Füßen auf dem Boden saß und mit Stoffetzen spielte.
Der Quilt war auf dem Tisch ausgebreitet, und darauf verteilt lagen weiße Garnröllchen. Die Frauen blickten auf, als ich eintrat. »Das ist Ellie Hathaway«, stellte Katie mich vor.
»Sie wohnt eine Weile bei uns«, fügte Sarah hinzu.
»Wie lange wird sie bleiben?« fragte Anna.
»Solange es dauert, bis Katies Fall vor Gericht kommt«, sagte ich. Als ich mich setzte, kam Louise Lapps kleine Tochter wackelig auf die Beine und grapschte nach den bunten Knöpfen an meiner Bluse. Damit sie nicht hinfiel, fing ich sie auf und setzte sie mir auf den Schoß. Ich ließ meine Finger über ihren Bauch marschieren, um sie zum Lachen zu bringen, und genoß die warme, kompakte Schwere des Kindes. Als ich nach einer Weile aufblickte, sah ich verblüfft, daß alle Frauen mich mit echter Hochachtung betrachteten. Während sie sich über ihre Näharbeit beugten, spielte ich mit der Kleinen. »Möchtest du auch nähen?« fragte Sarah höflich, und ich lachte. »Lieber nicht, ihr würdet es bereuen.«
Annas Augen blitzten. »Erzähl ihr, wie du mal Marthas Quilt an deiner Schürze festgenäht hast, Rachel.«
»Wozu die Mühe?« schnaubte Rachel. »Du kannst die Geschichte doch viel besser erzählen als ich.«
Katie fädelte einen Faden ein, beugte den Kopf über ein wattiertes Viereck und begann kleine, gleichmäßige Stiche zu machen. »Das ist toll«, sagte ich ehrlich beeindruckt. »Die sind ja so winzig, daß man sie kaum noch sieht.«
»Nicht besser als die von irgendwem sonst«, sagte Katie mit geröteten Wangen.
Eine Weile nähten die Frauen ruhig weiter, neigten sich über den Quilt und richteten sich wieder auf, wie Gazellen, die an einem Wasserloch trinken. »Also, Ellie«, sagte Rachel schließlich. »Sie sind aus Philadelphia?«
»Ja. Ich bin noch nicht lange hier.«
Martha schnitt ein Fadenende ab. »Ich bin einmal da gewesen. Mit dem Zug. Jede Menge Menschen, die herumhasten, wenn ihr mich fragt.«
Ich lachte. »Da ist was dran.«
Plötzlich rollte eine Garnrolle vom Tisch und landete auf dem Kopf des Säuglings, der in einem kleinen Korb schlief. Er schlug mit den Armen und begann zu weinen, laute, heftige Schluchzer. Katie, die ihm am nächsten saß, streckte die Arme aus, um ihn zu trösten.
»Faß ihn nicht an.«
Rachels Worte fielen wie ein Stein ins Zimmer, ließen die Hände der Frauen innehalten, so daß sie flach auf dem Quilt lagen, wie die von Heilerinnen. Rachel stach ihre Nadel in den Stoff, hob ihren Sohn hoch und drückte ihn an ihre Brust.
»Rachel Lapp!« sagte Martha tadelnd. »Was ist denn los?«
Sie sah weder Sarah noch Katie an. »Ich möchte bloß im Moment nicht, daß Katie sich um Klein-Joseph kümmert. So sehr ich Katie auch mag,
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