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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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schon sehr nah war. Adam schaltete den Motor ab und stieg aus, betrachtete wortlos Katies Kleidung. Er berührte den steifen Organdy ihrer Kapp , dann fuhr er mit dem Daumen sacht über die Sicherheitsnadel, die ihr Kleid am Halsausschnitt zusammenhielt. Plötzlich kam sie sich albern vor, so amisch gekleidet – er kannte sie ja nur in Jeans und Pullover. »Ist dir denn nicht kalt?« flüsterte er. Sie schüttelte den Kopf. »Nicht sehr.«
    Er zog seine Jacke aus und wollte sie ihr umlegen, doch sie wich aus. Einen Moment lang sprach keiner von ihnen. »Ich könnte wieder fahren«, sagte er leise. »Ich könnte fahren, und wir könnten so tun, als wäre ich nie hier gewesen.«
    Statt einer Antwort ergriff Katie seine Hand. Sie hob sie hoch, betrachtete seine Finger, streichelte sie. Das war keine Hand, die Zügel gehalten und Futter geschaufelt hatte. Sie führte sie an ihre Lippen und küßte sie. »Nein. Ich warte seit Jahren auf dich.«
    Sie meinte es wörtlich, wohlüberlegt, wahr. Adam drückte ihre Hand und ließ sich von ihr in die Welt führen, in der sie aufgewachsen war.
    Sarah sah ihrer Tochter zu, wie sie fürs Abendessen Gemüse klein schnitt. Heute abend und an vielen Abenden darauf durfte Katie nicht mit ihnen zusammen an einem Tisch essen – das gehörte zur Meinding . In den kommenden sechs Wochen würde Sarah im selben Haus getrennt von ihr leben müssen: Sie mußte so tun, als wäre Katie kein wichtiger Bestandteil ihres Lebens, durfte nicht mit ihr beten, mußte ihre Gespräche einschränken. Es war, als würde sie noch ein Kind verlieren.
    Finster ließ Sarah den Blick über den Eßtisch wandern. Dann ging sie ins Wohnzimmer und nahm eine Gaslampe von einem kleinen Spieltisch. Sie zog ihn in die Küche und schob die Tische so dicht zusammen, daß kaum noch drei Zentimeter Platz zwischen ihnen war. Dann holte sie ein langes weißes Tischtuch und breitete es über die beiden Tische, so daß man kaum noch merkte, daß es nicht ein einziges großes Rechteck war. »So«, sagte sie, das Tischtuch glatt streichend. Dann schob sie Katies Besteck hinüber auf den Spieltisch. Ihr eigenes Besteck schob sie näher zum Rand, näher dahin, wo Katie essen würde. »So«, wiederholte sie und machte sich dann an der Seite ihrer Tochter wieder an die Arbeit.
    Zu Ellies Aufgaben auf der Farm gehörte es, Nugget mit Futter und Wasser zu versorgen. Das große Quarterhorse hatte ihr zuerst Angst eingejagt, aber mittlerweile freute sie sich, wenn Nugget seinen schweren Kopf in den duftenden süßen Hafer tauchte.
    Er roch angenehm nach Staub und Gras, ein sauberer, mehliger Duft. Nachdem Ellie ihm noch etwas Hafer in den Trog geschaufelt hatte, stellte er die Ohren auf, schnaubte, versuchte dann, seine Nase in ihre Achsel zu stupsen. Ellie lachte und tätschelte ihm den Kopf. »Laß das«, sagte sie lächelnd, als sie den fast leeren Eimer von einem Haken nahm und nach draußen zum Wasserhahn trug.
    Sie war gerade um die Stallecke gebogen, als jemand sie von hinten packte und eine Hand auf ihren Mund preßte. Der Eimer fiel scheppernd zu Boden. Ellie kämpfte gegen die jäh aufsteigende Panik, biß mit voller Kraft in die Hand, die ihren Mund bedeckte, und rammte den Ellbogen in den Bauch des Angreifers, während sie Gott dafür dankte, daß Stephen ihr vor zwei Jahren einen Selbstverteidigungskurs geschenkt hatte.
    Sie wirbelte herum, die Hände schlagbereit, und funkelte den Mann an, der sich vor Schmerz krümmte. Er kam ihr irgendwie bekannt vor. »Verdammt, wer sind Sie?«
    Der Mann blickte auf, einen Arm noch immer auf seinen Bauch gepreßt. »Jacob Fisher.«
    »Sie mußten mich ja nicht gleich von hinten überfallen«, sagte Ellie ein paar Minuten später, als sie Katies Bruder auf dem Heuboden gegenüberstand. »Ich hätte Sie umbringen können.«
    »Ich bin zwar schon eine Weile weg, aber normalerweise findet man auf einer amischen Farm selten einen Menschen, der den schwarzen Gürtel hat.« Jacob lächelte nicht mehr. »Man findet auch nur selten ermordete Babys.«
    Ellie setzte sich auf einen Heuballen. »Ich habe versucht, Sie telefonisch zu erreichen.«
    »Ich war verreist.«
    »Ich vermute, Sie haben inzwischen erfahren, daß gegen Ihre Schwester Anklage erhoben worden ist?« Jacob nickte. »War die Ermittlerin der Staatsanwaltschaft schon bei Ihnen?«
    »Gestern.«
    »Was haben Sie ihr erzählt?«
    Jacob schwieg. Ellie stützte die Ellbogen auf ihre Knie. »Lassen Sie mich eines klarstellen«, sagte

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