Die Eisbärin (German Edition)
Ewigkeit geschaffen. Die Wandteppiche, die kleinen Skulpturen in den Schränken, die Orden und Abzeichen in der Glasvitrine, die Bilder und selbst die Pflanzen. Alles war perfekt arrangiert und verströmte den leicht staubigen Geruch von Geld und Tradition.
Während sie einige Meter auf den imposanten Schreibtisch zugingen, wurde Klein von der lächerlichen Furcht ergriffen, er könne Flecken auf dem hellen Teppichboden hinterlassen. In Gedanken sah er sich bereits dem Zorn der Sekretärin ausgesetzt.
„Guten Tag, die Herrschaften, Klaus Dambeck mein Name.“
Der Internatsdirektor war aufgestanden und reichte seinen Besuchern über den Schreibtisch hinweg die Hand. Mit einem Anflug von Belustigung bemerkte Klein, dass der Mann nach dem Aufstehen kaum größer geworden war. Sitzriesen nannte er solche Menschen. Aber möglicherweise täuschte er sich. In diesem Raum muss auch ich winzig wirken, dachte er und beugte sich vor, um den Handschlag zu erwidern.
„Günther Klein, Kriminalpolizei Essen. Das ist meine Kollegin Jennifer Bergmann“, stellte sich der Ermittler vor und kramte nach seinem Dienstausweis.
„Angenehm. Setzen Sie sich doch bitte.“
Günther Klein warf einen verstohlenen Blick zur Seite, während er sich in einen der beiden Besucherstühle zwängte. Sie schienen eher für Bergmanns Statur konzipiert zu sein.
Er konnte nicht behaupten, dass ihm der Mann in dem dunklen, maßgeschneiderten Anzug unsympathisch war. Es war vielmehr die gesamte Umgebung, die ihm nicht behagte. Seit sie zu dem kleinen Schloss hinaufgegangen waren, hatte er das Gefühl, in einer fremden Welt zu sein, die ihn verunsicherte.
„Danke, dass Sie sofort Zeit für uns gefunden haben“, sagte er und achtete auf einen festen Klang seiner Stimme.
„Ich habe die Termine für heute Vormittag verschieben können. Sie werden sicher verstehen, dass wir nicht jeden Tag die Polizei im Hause haben.“
„Sicher, das verstehe ich“, sprach er die Worte nach und kam sich im selben Moment fürchterlich albern vor.
„Nun, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
Günther Klein war froh, dass Klaus Dambeck direkt zur Sache kam.
„Wir haben es in unserem Zuständigkeitsbereich mit einem Mordfall zu tun“, antwortete er und bemerkte erleichtert, wie mit dem Sprechen über dienstliche Angelegenheiten ein Stück seiner Selbstsicherheit zurückkehrte. „Bisher haben wir noch nicht viel, aber erste Hinweise deuten darauf hin, dass das Opfer mit dem Gymnasium unten in Verbindung gestanden haben könnte.“
„Wie meinen Sie das? Doch nicht etwa ein Schüler?“
Der Direktor schien glaubhaft besorgt.
„Nein, nein, es handelt sich um einen ehemaligen Lehrer. Zumindest gehen wir im Moment davon aus. Bevor wir jedoch Einzelheiten nennen, muss ich Sie bitten, dieses Gespräch vertraulich zu behandeln. Selbst die Presse ist bislang nicht informiert.“
Die Miene des Direktors hellte sich auf. „Selbstverständlich. Was genau kann ich für Sie tun?“
„Bei dem Opfer handelt es sich um einen gewissen Herbert Lüscher. Sagt Ihnen der Name etwas?“
Der Mann am anderen Ende des mächtigen Schreibtisches überlegte angestrengt.
„Nein“, sagte er schließlich. „Um welchen Zeitraum geht es denn?“
„Wir haben Fotos auf der Internetseite der Schule gesehen“, sagte Jennifer Bergmann, die bisher geschwiegen und beobachtet hatte. „Aus dem Begleittext geht hervor, dass Herr Lüscher 1991 pensioniert wurde. Er war zu diesem Zeitpunkt 55 Jahre alt. Rektorin Rietberger meint, dass er vielleicht Kontakte zum Internat gehabt haben könnte.“
„Nun“, sagte Direktor Dambeck, „meine Zeit an diesem Internat begann erst vor acht Jahren, im Sommer 2002, um genau zu sein. Vorher war ich an einer anderen Schule in der Nähe von Bonn.“
Er dachte einen Moment lang nach, bevor er weitersprach.
„1991 müsste Alois Weinheimer Direktor gewesen sein. Moment.“ Er öffnete eine der Schubladen und holte ein großes, in Leder gebundenes Buch hervor.
„Internatschronik“, sagte er, ohne einen gewissen Stolz in seiner Stimme verhehlen zu können. Er schlug die passende Seite auf, drehte das Buch und schob es den Polizisten zu. „Alois Weinheimer“, sagte er. „Direktor von 1984 bis 1996.“
„Gut“, sagte Klein, während er das Foto betrachtete. „Gibt es in diesem Buch auch eine Liste der ehemaligen Lehrer?“
„Nein, leider nicht“, antwortete Dambeck. „Diese Daten existieren nur in unseren Computern.“
„In Ordnung,
Weitere Kostenlose Bücher