Die Eisbärin (German Edition)
passiert.“
„Freiwillig? Verstehe ich nicht“, sagte Klein, doch das stimmte nicht ganz. In Wahrheit waren die Puzzleteile längst an ihre Plätze gefallen.
„Doch, tust du“, erkannte auch Bergmann. Die junge Frau, Fuchshaarbekleidung, Stiefelabsätze im Stundentakt, regelmäßige Barabholungen über mehrere hundert Euro, lederne Fesseln am Bett, geräuschdämmende Wandverkleidungen, alles fügte sich zusammen und zeichnete ein Bild, das ihnen nie zuvor in den Sinn gekommen war.
Bergmann zündete sich eine weitere Zigarette an. Schweigend saßen sie in ihrer Schattenhöhle, bis Bergmann schließlich ihre Kippe ausdrückte, die Jacke nahm und sich zum Gehen wandte.
„Du bist eine gute Polizistin“, sagte Klein, während er ihr nachblickte.
In der Tür drehte sie sich noch einmal um.
„Kein guter Schüler ohne einen guten Lehrer.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Gute Nacht, wir sehen uns morgen.“
„Gute Nacht.“
Nachdem sie gegangen war, machte Klein sich daran, die Ergebnisse des Tages zusammenzufassen. Durch das Gespräch mit Bergmann würde er den einen oder anderen Absatz in seinen inoffiziellen Fallnotizen hinzufügen müssen. Die Computeruhr zeigte 00.10 Uhr, doch seine Müdigkeit war fürs Erste verschwunden.
Samstag, 20. November, 12.30 Uhr
Markus saß in seinem Arbeitszimmer und betrachtete die Liste der Treffer auf dem Bildschirm seines Laptops. Es dauerte nicht lange, bis er den Link fand. Einen Mausklick später war er auf der richtigen Seite.
Die Aufmachung der Homepage deckte sich mit dem Eindruck, den er schon früher von der jungen Frau gehabt hatte. Kühl, reserviert, aber hochprofessionell. Der zielstrebige Ehrgeiz von Isabella Hoffmeyer war ihm immer suspekt und bewundernswert zugleich erschienen. Sie war nicht der Typ Frau, dem man auf exzentrischen Mottopartys begegnete oder der sich betrank und zu Entgleisungen hinreißen ließ. Nie stand sie im Mittelpunkt der Gerüchte – ganz im Gegensatz zu vielen ihrer Gefährtinnen. Nicht, dass es an Angeboten für die außergewöhnlich hübsche junge Frau gemangelt hätte. Nein, Isabella Hoffmeyer widmete ihr Leben ganz und gar der Arbeit. Die Entscheidung dazu war früh gefallen, und sie hatte ihren Weg mit eiserner Disziplin beschritten. Dass ihr Universitätsabschluss am Ende in die Annalen der Fakultät einging, überraschte niemanden.
Zu der Zeit wohnte Markus mit ihr im selben Haus. Es war ein gepflegtes, ruhiges und vor allem teures Mehrfamilienhaus, ganz in der Nähe des Aasees. Isabellas Ehrgeiz war weithin bekannt, und so war Markus aufrichtig überrascht, als sie ihn eines Abends zu sich einlud. Er fühlte sich geehrt. Doch das anfängliche Interesse erlahmte schnell. Die schüchterne Isabella passte einfach nicht in das von Eskapaden und Ausschweifungen begleitete Leben, das er führte. Bei der letzten Verabredung hatte er ihr das auch deutlich gemacht, wenn auch nicht sonderlich feinfühlig. In den folgenden Wochen und Monaten spürte er, dass Isabella sich trotz seiner Abweisung noch Hoffnungen machte. Auffällig oft begegnete sie ihm „zufällig“, und wenn er nachmittags zum Joggen aufbrach, stand sie am Fenster, und er spürte ihre Blicke in seinem Rücken.
Als er kurze Zeit später Sabine kennenlernte und sich mit ihr liierte, fand er eines Morgens einen Brief unter der Tür. Auf drei handschriftlich verfassten Seiten schlug ihm Isabellas Wut entgegen. Sie konnte nicht verstehen, wie Markus eine Beziehung mit dieser „ungebildeten und ordinären Person“ führen konnte. Er solle sein Leben nicht wegwerfen, so ihre Worte, er habe Besseres verdient. Der Brief endete mit „Deine Isabella“.
Damals hatte er Sabine den Brief gezeigt und sich über die kindlich wirkende Reaktion lustig gemacht. Dies führte zu einigen unangenehmen Begegnungen im Hausflur. Wenig später zog Markus aus. Er hatte Isabella seitdem nie wiedergesehen.
Markus verdrängte seine Gedanken und konzentrierte sich wieder auf den Bildschirm. Er folgte der Einladung zu einem virtuellen Rundgang durch die stilvoll eingerichteten Räumlichkeiten.
Als er auf die Kontaktseite klickte, um sich Telefonnummer und Adresse zu notieren, baute sich eine Grafik auf. Markus hielt inne. Das Porträtfoto zeigte eine freundlich lächelnde Isabella Hoffmeyer.
Markus rückte unwillkürlich ein Stück näher heran, um das Bild besser betrachten zu können. Die schwarzen Locken, die ihr in seiner Erinnerung bis knapp an den Po reichten, waren gekürzt und
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