Die Eisbärin (German Edition)
macht?“
Klein dachte einen Moment darüber nach, doch er wusste, dass es dafür sowohl keine als auch Tausende Erklärungen gab.
„Wie lange bist du bei der Polizei?“, fragte er Bergmann schließlich.
Sie löste den Blick von der Straße, blickte ihn fragend an und sagte schließlich: „Das weißt du. Seit neun Jahren.“
„Gut. Mit wie vielen Betrunkenen, Junkies, Pennern und Alkoholikern hast du seitdem zu tun gehabt?“
„Weiß nicht.“ Bergmann zuckte mit den Schultern. „Hunderte.“
„Und wie viele von denen sind als Penner und Alkoholiker zur Welt gekommen? Wie viele waren schon immer Verlierer der Gesellschaft ohne jede Chance, diesen Teufelskreis zu durchbrechen? Wer von ihnen hat seinen Absturz selbst verschuldet, und wem hat lediglich das Schicksal übel mitgespielt?“
„Keine Ahnung, man sieht es den Menschen nicht …“
Bergmann verstummte, und Klein nickte.
„Wir wissen nicht, warum er angefangen hat zu trinken. Ich glaube auch nicht, dass es das Feierabendbier war, das aus dem Ruder gelaufen ist. Es wird einen Grund geben, und den müssen wir herausfinden. Ob uns das seinem Mörder ein Stück näher bringt, weiß ich nicht, aber es ist das Einzige, was wir im Moment haben. Das und diese Telefonnummer.“
„Apropos“, sagte Bergmann. „Warum zum Teufel dauert das eigentlich …“
Sie hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als das Telefon piepte.
„Wenn man vom Teufel spricht.“ Grinsend fischte das Handy aus der Innentasche ihrer Jacke.
Klein war heilfroh, als sie ihm das Telefon überreichte, denn Bergmann jagte den alten Opel mit Höchstgeschwindigkeit über die Autobahn.
„Klein.“
„Bernd hier. Seid ihr noch bei Weinheimer?“
„Nein, sind auf dem Weg zurück. Was hast du rausgefunden?“ Klein presste das Handy fester an sein Ohr, um trotz des lauten Motors etwas zu verstehen. Das hochtourige Heulen hätte zarter besaiteten Menschen den puren Angstschweiß auf die Stirn getrieben.
„Möglicherweise haben wir etwas Interessantes.“
„Herrgott.“
Klein war ganz und gar nicht in der Stimmung für Spielchen.
„Nutten“, ließ Hecking die Nachricht platzen. „Die Nummer gehört zu einer Düsseldorfer Agentur, Blockstraße 5, nahe der City.“
Im Kopf von Klein rasteten die Informationen ein und schlossen eine Lücke. Es war wie ein Puzzleteil, das an seinen Platz gefallen war.
„Dann sind wir womöglich einen großen Schritt weiter“, sagte er zufrieden. „Die Nummer war also in unserem System?“
„Korrekt. Es ist zweimal dort eingebrochen worden, das erste Mal Anfang 2009 und dann noch mal vor zwei Monaten. Entwendet wurden jeweils größere Bargeldbeträge, die Täter hat man nicht ermitteln können.“
„Gut, was haben wir sonst noch?“
„Offiziell wird der Betrieb als Begleitservice geführt. Du kennst solche Läden.“
Hecking machte eine Pause, und Klein glaubte, das Rascheln von Computerausdrucken zu hören. Er fragte sich mit einem Anflug von Irritation, ob die Doppeldeutigkeit in Heckings letzter Bemerkung beabsichtigt war.
„Nein, tue ich nicht“, sagte er schließlich. „Wer führt das Geschäft?“
„Der Besitzer ist ein gewisser Michael Martens, 48 Jahre. Ich habe ihn bereits überprüft. Er ist ein paar Mal auffällig geworden. Körperverletzung, Betrugs- und kleinere Drogendelikte, seit ein paar Jahren scheint er sich aber nichts mehr zu leisten.“
„Lichtbilder?“
„Haben wir. Durchschnittstyp, 1,80 groß, schlanke Statur, dünner Kinnbart, Ohrring rechts. Aber wie gesagt, die Aufnahmen stammen von der erkennungsdienstlichen Behandlung 2001.“
„Danke“, sagte Klein und meinte es ernst. „Das war’s?“
„Zunächst einmal ja. Es gibt keinen Internetauftritt, keine Werbung, nichts. Ist aber nicht untypisch für kleinere Agenturen. Diese Läden werden durch Mundpropaganda bekannt und leben dann von einem kleinen, festen Kundenstamm.“
„In Ordnung, Bernd. Ich schätze, wir werden die Besprechung ein wenig verschieben müssen. Bis 16.00 Uhr müssten wir zurück sein.“
„Du willst jetzt sofort dahin? Sollten wir das nicht planen und absprechen?“
„Nein, ich möchte keine weitere Zeit verschenken. Es wird nur eine harmlose Zeugenbefragung. Aber sollte ich den leisesten Verdacht haben, dass Martens uns verarschen will, rufe ich den Staatsanwalt an. Er wird nicht lange zögern, in der Sache Lüscher eine Festnahme anzuordnen. Ich habe ihn heute Morgen noch am Telefon gehabt, auch seine
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