Die eisblaue Spur
waren
verhört worden und hatten wieder und wieder erklären
müssen, wie sich die Dinge zugetragen hatten.
»Wann dürfen wir
endlich fahren?« Friðrikka hatte aufgehört zu
weinen. Seit sie gesehen hatte, wessen Leiche im Schnee hinter dem
Haus lag, waren ein paar Stunden vergangen. In der Zwischenzeit
hatten sie etwas zu essen bekommen, aber die Geologin hatte keinen
Bissen heruntergebracht. »Ich halte das hier nicht
länger aus.«
»Das verstehe ich«,
sagte der Polizist sanft, fügte dann aber entschieden hinzu:
»Leider fliegt der Hubschrauber nicht bei Dunkelheit. Sie
kommen also erst morgen früh von hier weg. Der Hubschrauber
ist schon vor Ort, sobald die Bedingungen günstig sind,
können Sie fliegen.«
»Haben Sie eine Idee, was
passiert sein könnte? Ich meine mit der Frau. Oddný
Hildur.« Eyjólfur war ruhig, wirkte aber abwesend, so
hätte ihn diese spezielle Situation am Ende doch
überwältigt. »Wir haben den Eindruck, dass sie
einen Unfall hatte.«
»Darüber kann ich im
Augenblick nichts sagen. Jedenfalls hat sie Kopfverletzungen. Die
Hintergründe kommen hoffentlich bald ans
Licht.«
»Wo war sie?«,
fragte Alvar. »Ich meine, sie ist doch schon seit Monaten
verschwunden und kann unmöglich die ganze Zeit hinter dem Haus
gelegen haben.« Wie üblich wurde er beim Sprechen
rot.
»Die Frau scheint auf den
ersten Blick schon ziemlich lange tot zu sein. Sie brauchen sich
keine Vorwürfe zu machen. Soweit ich das beurteilen kann,
haben Sie damals alles getan, was in Ihrer Macht stand, um sie zu
finden. Es hätte auch nichts geändert, wenn Sie
länger gesucht oder Verstärkung angefordert
hätten.«
»Wir hätten sie also
retten können, wenn wir nicht so früh aufgegeben
hätten?« Friðrikka schien überhaupt nicht zu
begreifen, was um sie herum geschah. »Ich wusste es. Das habe
ich doch immer gesagt.« Eyjólfur öffnete den
Mund, um etwas zu sagen, besann sich dann aber. Sogar er
bemitleidete die verheulte, verzweifelte Frau. Er presste die
Lippen aufeinander und schloss die Augen.
»Da haben Sie mich
missverstanden, Fräulein. Sie hätten nichts tun
können, um das Leben Ihrer Freundin zu retten. Ich wollte Sie
darauf nur hinweisen, damit es Ihnen bessergeht.«
»Wo kommt sie denn auf
einmal her?« Matthias tat so, als würde er nicht merken,
dass Dóra ihn ins Bein kniff. Sie hatte ihm unter vier Augen
erzählt, wie die Leiche hinters Haus gekommen war, und er
hatte ihr versprochen, nicht darüber zu reden. »Ich
überlege nur, wo die Leiche die ganze Zeit gewesen sein
kann.« Dóra atmete auf – gerade noch mal
gutgegangen.
»Wir wissen es nicht.
Wahrscheinlich irgendwo draußen, vor Tieren geschützt.
Sie war nicht auf der Insel, da haben wir heute alles abgesucht.
Ausgeschlossen, dass wir sie dabei übersehen
haben.«
»Am dringlichsten scheint
doch die Frage zu sein, wer Ihrer Meinung nach dafür
verantwortlich ist, falls es sich um einen Unfall handelt.«
Der Arzt Finnbogi war genauso erschöpft wie die anderen, und
unter seinen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet.
»Darüber lässt
sich noch nichts sagen. Es ist natürlich verdächtig, dass
die Leiche so plötzlich hier auftaucht.«
»Es ist doch ziemlich
unwahrscheinlich, dass die Frau nur gefallen ist und sich dabei
diese Verletzungen am Hinterkopf zugezogen hat. Und das auf einer
ebenen Fläche. Wenn sie von einem Berg oder einer steilen
Anhöhe gestürzt wäre, müsste sie stärker
verletzt sein. Die Gliedmaßen wirken ja unversehrt.«
Dóra fand die Worte des Arztes ziemlich
überzeugend.
»Wie gesagt, das wird
alles ans Licht kommen. Spekulationen sind zwecklos. Wenn ein
Verbrechen geschehen ist, dann kriegen wir das
raus.«
»Noch eine andere Frage
...« Dóra wollte unbedingt ihr Versprechen einhalten.
»Werden die Knochen aus den Schubladen ganz sicher den
Verwandten übergeben? Es wäre wirklich tragisch, wenn die
Frau nicht ihre letzte Ruhe finden würde.«
Der Polizist fand die Frage
anscheinend ganz normal. »Ja, das wird ganz sicher gemacht.
Wir brauchen eine Bestätigung, dass es sich um die besagte
Frau handelt, aber danach gibt es keinen Grund, die Knochen
zurückzuhalten. Eine solche Untersuchung dauert normalerweise
nicht lange. Ich gehe davon aus, dass wir ihren Zahnarzt ausfindig
machen können. Die Röntgenbilder sollten zur
Identifikation ausreichen. Wenn sie es nicht ist, sieht die Sache
allerdings anders
aus.«
»Hoffen wir mal, dass sie
es ist. Wir haben schon genug
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