Die eisblaue Spur
der sich ruhig verhielt, solange
mächtigere, intelligentere Tiere unterwegs waren. Der
Jäger erinnerte sich an die Lehrstunden, bei denen er die
weiche Hand seines Sohnes in seiner rauen Pranke gehalten hatte.
Der Stumpf, wo einst sein Zeigefinger gewesen war,
schmerzte.
Igimaqs Finger war erfroren,
weil er ungeschickt mit dem Jagdmesser, das er von seinem Vater
geerbt hatte, umgegangen war. Zu Beginn der Seehundjagd auf dem Eis
hatte er aus Versehen ein Loch in seinen Handschuh geschnitten.
Anstatt umzukehren und bis zum nächsten Morgen zu warten, war
er der Versuchung einer aussichtsreichen Jagd erlegen. Das Eis war
dick und fest, das Wetter perfekt für die Jagd. Als er am
Abend nach Hause kam, den Schlitten voller Seehunde, war sein
Finger eingefroren. Bevor er sich schlafen legte, schnitt er den
Finger ab und bat seinen Sohn, ihn bei der Schlittentour mit den
Touristen zu vertreten. Er wollte den Handschuh erst ausbessern,
bevor er wieder hinaus in die Kälte ging. Und so kam es, dass
sein Sohn zum ersten Mal Schnaps trank, nach der Tour mit der
Gruppe zusammensaß und nie mehr in sein altes Leben
zurückkehrte. Der Verlust des Fingers war Igimaq teurer zu
stehen gekommen, als dass er nur lernen musste, den Abzug des
Gewehrs mit dem Mittelfinger zu betätigen. Natürlich
dauerte es ein paar Monate, bis der Junge ganz unten war, aber die
ersten Anzeichen waren schon zu erkennen, als er von der Tour mit
den Touristen zurückkam. Er stierte alle Leute an, die
Bierdosen in der Hand hatten, so dass es schon unangenehm war. Dann
verschwand er Abend für Abend und kam spät nach Hause,
bis zu dem Tag, an dem er gar nicht mehr zurückkehrte. Igimaqs
Frau schlug kurze Zeit später denselben Weg ein, und Igimaq
verließ sie. Jetzt lebte er wie seine Vorväter in einem
Zelt, in ausreichender Entfernung zum Dorf. Die Einzigen, die ihn
dort besuchten, waren die alten Männer, die die traditionellen
Werte noch zu schätzen wussten und seine Entscheidungen und
seine Lebensführung verstanden.
Nein, der Jäger war nicht
ins Dorf gekommen, um die Schande seiner Familie mit anzusehen. Er
war gekommen, um mit dem mächtigsten Mann im Dorf zu reden,
einem Jugendfreund, der mit Schuld daran hatte, dass sein Sohn und
seine Frau ins Unglück gestürzt waren. Der Jäger
freute sich nicht auf das Gespräch, aber es musste
stattfinden. Sein alter Freund musste ihm einfach zuhören, das
war er ihm schuldig. Schließlich hatte der Mann seine Tochter
auf dem Gewissen. Der Jäger musste die Leute warnen, und
dieser Weg war der wirkungsvollste. Er würde auf keinen Fall
von Haus zu Haus gehen und ihnen erzählen, dass sie dasselbe
Schicksal erwartete wie die ersten Einwohner des Dorfes. Niemand
würde ihm zuhören. Außerdem kannte sein alter
Freund als Einziger die Geschichte und musste den Ernst der Sache
begreifen. Es sei denn, er hatte die Verbindung zu seinen Wurzeln
gänzlich verloren.
Zwei kleine Mädchen mit
adretten Zöpfen gingen vorbei und beschleunigten ihren
Schritt, als sie Igimaq sahen. Ihre Mütter hatten sie bestimmt
vor ihm gewarnt, ihnen erzählt, der Kerl aus dem Zelt
würde sie holen und fressen, wenn sie nicht aufpassten. Im
Dorf sah man überhaupt keine Jungen mehr. Das schmerzte ihn
mehr als der Verlust seines eigenen Sohnes. Vielleicht spielte
dieses Gespräch auch gar keine Rolle mehr. Das Dorf war
ohnehin dem Tode geweiht, wenn es keine Männer mehr gab, die
auf die Jagd gingen.
Der kleine, unbedeckte Teil von
Dóras Gesicht war schon ziemlich rot, denn der Schnee
verstärkte die schwache Wintersonne, die allmählich durch
die Wolken drang. Dóra war erleichtert, als sie die
Schaufeln weglegten und wieder in die Hütte gingen. Aber ihre
Mühe hatte sich gelohnt: Unter dem schweren Schnee waren sie
auf ein ungleichmäßiges Loch in der Eisschicht
gestoßen. Friðrikka meinte, es habe nichts mit der
üblichen Arbeitsweise der Bohrmänner gemein. Der Bohrer
war auf sehr ungewöhnliche Art eingesetzt worden, und es gab
Spuren eines Eispickels und einer Schaufel. Bei der üblichen
Vorgehensweise hätten sie ein einzelnes Loch im Durchmesser
der Bohrstange sehen müssen, aber stattdessen waren
überall Löcher, die jedoch nicht tief genug ins Eis
hineinreichten, um Bohrkerne zu sammeln. Diese merkwürdigen
Löcher befanden sich in einer größeren Vertiefung,
die ausgeschaufelt worden sein musste. Die Vertiefung lag bei einer
Felswand am Fuße eines Bergs, der nördlich von ihnen
aufragte. Unmittelbar dahinter
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