Die Eiserne Festung - 7
Ganz genau, wie Port Harbour die wichtigste Anlandestelle für jeden ist, der über die Hsing-Wu-Passage anreist. Glauben Sie mir, wenn Sie im Hochsommer hier wären, würden Sie Stein und Bein schwören, jeder Erwachsene Safeholds versuche gerade, den Tempel zu erreichen ... und sie alle wollten einen Platz im ›Nachtruhe‹ finden. Im Winter hingegen sind die drei oberen Stockwerke geschlossen. Es sollte mich wirklich überraschen, wenn derzeit mehr als ein Drittel - oder auch nur ein Viertel - der im Winter genutzten Räume belegt wären.«
»Wie um alles in der Welt rechtfertigen die denn, überhaupt geöffnet zu haben, wenn das Geschäft im Winter so schlecht läuft?«, fragte Coris nach.
»Naja, die Qualität ihres Restaurants ist da schon eine große Hilfe!« Tannyr lachte. »Glauben Sie mir, Sie werden das beim Abendessen selbst bemerken. Deswegen sind ihre Mitarbeiter in der Küche ständig beschäftigt, egal zu welcher Jahreszeit. Was den Rest angeht«, Tannyr zuckte die Achseln, »Mutter Kirche ist zu einem beträchtlichen Teil Anteilseigner am ›Nachtruhe‹, und das Schatzamt des Tempels trägt im Winter einen Teil der anfallenden Kosten. Ähnliche Abkommen hat Mutter Kirche mit einer ganzen Menge anderer größerer Herbergen und Hotels hier in Seeblick getroffen. In Port Harbour übrigens auch.«
Verständig nickte Coris. Darauf hätte er eigentlich selbst kommen können! Natürlich hatte die Kirche immenses Interesse daran, dass all jene stets ein Obdach fanden, die bereit waren, die Pilgerfahrt zum Tempel anzutreten, zu der die Heilige Schrift alle wahrhaft Gläubigen aufforderte.
Und, dachte er ein wenig zynischer, ich wette, der Profit, den das Schatzamt während der Hauptzeit der Pilgerfahrten hier einnimmt, ist mehr als genug, um die Kosten zu decken, die dafür anfallen, dieses Hotel das ganze Jahr über geöffnet zu halten.
Doch ob dem nun so war oder nicht: Graf Coris musste zugeben, dass das Nachtruhe die bequemsten und angenehmsten Zimmer bot, in denen er je auf einer Reise abgestiegen war. Der Unterschied in Kost und Logis zu dem, womit sie sich während ihrer anstrengenden Reise hatten bescheiden müssen, war beachtlich. Sicherlich gab es nur wenige ebenso luxuriöse Zimmer im Haus wie die, die man Tannyr und ihm zuwies, dessen war er sich sicher. Und das Restaurant hatte sich als tatsächlich so hervorragend herausgestellt, wie Tannyr ihm das versprochen hatte. Ja, Coris hatte sich selbst bei dem Gedanken ertappt, gern noch ein paar Nächte länger hier zu bleiben.
Bedauerlicherweise ging das nicht, und das wusste er auch. Betont munter folgte er daher Tannyr am nächsten Morgen zum Pier. Die unverkennbare Belustigung im Blick des Unterpriesters verriet ihm, dass sein Begleiter sich nicht so leicht täuschen ließ. Trotz seines lebhaften Sinns für Humor (und auch für groteske, lächerliche Situationen) hatte Tannyr davon Abstand genommen, Coris deswegen aufzuziehen.
Diese Nachsicht wusste der Graf wohl zu schätzen. Er vermutete aber, seine Reaktion beim ersten Anblick der Hornisse dürfte Tannyr für seinen Langmut entschädigt haben.
Coris war tatsächlich wie angewurzelt stehen geblieben und hatte den Eissegler völlig verblüfft angestarrt. Die gehörten Beschreibungen hatten ihn nicht auf diesen Anblick vorbereitet: ein schnittiges Gefährt mit Kufen aus glitzerndem Stahl. Allein schon die Vorstellung, was jede dieser Kufen gekostet haben musste - das hätte auch anderen als dem Grafen den Atem geraubt, selbst wenn Coris aus eigener Erfahrung über Gießereikosten Bescheid wusste. Immerhin hatte er eine auf Galeonen basierende Flotte mit neuen Geschützen von Grund auf neu aufzustellen gehabt. Aber wieder einmal wurden ihm hier die unfassbaren finanziellen Ressourcen der Kirche augenfällig vorgeführt.
Eissegler wie die Hornisse waren nicht nur exorbitant teuer. Es waren hochspezialisierte Gefährte. Ihre einzige Funktion bestand darin, den Pei-See zu überqueren, wann immer die gewaltige Wasserfläche zugefroren war. Von Seeblick bis nach Zion waren es fast vierhundertundfünfzig Meilen, und jedes Jahr war es nach Einbruch des Winters kaum noch möglich, den See mit normalen Booten zu befahren. Nur mit Eisseglern war noch nach Zion zu kommen oder die Stadt wieder zu verlassen. Allerdings konnte ein solcher Eissegler nicht einmal ansatzweise so viel Fracht aufnehmen wie ein konventionelles Segelschiff. Also hätte es einer gewaltigen Flotte der kostspieligen Eissegler
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