Die Eiserne Festung - 7
erkundigte sich Nahrmahn und richtete den Blick wieder auf Cayleb.
»Wir haben noch nicht darüber gesprochen.« Wieder wölbte Nahrmahn die Brauen, und Cayleb zuckte mit den Schultern. »Ich hatte schon genug Schwierigkeiten, ihn dazu zu bewegen, sich überhaupt jede Nacht eine Auszeit zu nehmen. In letzter Zeit kocht aber auch andauernd etwas hoch, was wichtig genug wäre, ihn aus dieser Auszeit wieder herauszureißen. Daher will ich damit erst gar nicht anfangen - es sei denn, wir reden hier von einem absoluten Notfall. Pater Tymahn aber war ohnehin schon tot.« Mit rigoroser Geste schnitt Cayleb eine Diskussion in diese Richtung ab, ehe sie überhaupt beginnen konnte. »Es hätte überhaupt nichts gebracht, wenn wir Merlin geweckt hätten. In ungefähr fünfzehn Minuten geht er ohnehin wieder on-line. So lange können wir ruhig noch warten, bis wir uns über Kom bei ihm melden.«
»Ich verstehe.«
Nahrmahn hatte Mühe sich ein Grinsen zu verbeißen. Es wäre angesichts seines eigenen Entsetzens und der Wut, die er der bestialischen Ermordung Tymahns wegen im Bauch hatte, schlichtweg unangebracht. Aber Caylebs Bemühen, einen Jahrtausende alten, unsterblichen, praktisch unzerstörbaren PICA zu beschützen, war einfach ... rührend. Und Sharleyan war auch in dieser Hinsicht keinen Deut anders.
»Bis dahin«, warf Sharleyan ein, »sollten wir Maikels Strategie der unbedingten Zurückhaltung in Corisande ernstlich überdenken. Da Waimyn sich weit genug vorgewagt hat, Pater Tymahns Ermordung anzuordnen - oder zumindest bereit war, die Dinge weit genug eskalieren zu lassen -, sollten wir wohl davon ausgehen, dass er auch zu einem Anschlag auf Maikel bereit wäre. Ich weiß, dass Gahrvai die Kirche in Corisande bislang gut geschützt hat. Aber es gab Fälle von plötzlichem Vandalismus, und jetzt das: Pater Tymahns Ermordung. Wenn wir nicht bereit sind, Merlin zu Maikels Schutz dorthin zu schicken, ist das Risiko zu hoch, dass die Gegenseite vielleicht noch einmal unerwartet ›Glück‹ hat. Vor allem, da wir in Corisande niemanden haben, mit dem wir über die SNARCs unmittelbar kommunizieren können.«
»Es gibt, Eure Majestät, einige Herausforderungen, denen ich mich deutlich lieber stelle als anderen«, merkte Nahrmahn trocken an. »Ich habe viel Zeit mit dem Erzbischof auf unserer Reise von Emerald bis nach Chisholm verbracht. Seither glaube ich, Eure Chancen stünden besser, dem Schnee zu verbieten zu fallen, als den Erzbischof davon abzuhalten, nach Corisande zu reisen - bloß weil Ihr Euch sorgen um seine körperliche Unversehrtheit macht.«
Trotz der allgemein düsteren Stimmung brachte die Bemerkung das Kaiserpaar dazu zu grinsen. Aufgeräumter jetzt, griff die Kaiserin sogar nach einem Muffin. Leider war ihre Schwangerschaft - und das morgendliche Erbrechen - ausgeprägt genug, die Wahl der reuelos genießbaren Speisen vor allem morgens einzuschränken. Sharleyan hatte Tee statt schwerer, dunkler Schokolade gewählt - schweren Herzens. Nun blickte sie durchaus wehmütig Nahrmahns Scone mit gehackten Nüssen und der Beerenmischung an, an dem die geschmolzene Butter herabtroff, und dann ihren schlichten, trockenen, ungebutterten Maismehlmuffin.
»Mir ist klar, dass er sich ... störrisch gebärden wird«, setzte sie an. Da sie währenddessen kaute, war sie ein wenig schwer zu verstehen. Mit einem reuevollen Lachen fiel Cayleb ihr ins Wort. Fragend blickte sie ihn an, und er zuckte mit den Schultern.
»Ich habe nur gerade an die Beurteilung eines Offiziers gedacht, die Bryahn mir vor einigen Jahren gezeigt hat. Es ging um Master Midshipman Ahrmahk ... damals auch bekannt, zumindest bei offiziellen Anlässen, als Kronprinz Cayleb.«
»Ach?« Sharleyans Augen wurden schmal, dann hellte sich ihr Gesicht ein wenig auf. »Darf ich fragen, warum High Admiral Lock Island dir diesen zweifellos faszinierenden Bericht vorgelegt hat?«
»Er wollte mich damit auf etwas hinweisen.«
»Entschuldigt, Euer Durchlaucht«, warf Nahrmahn ein, »aber das ist das erste Mal, dass ich von Offiziersbeurteilungen höre. Gehört das zum Standardverfahren der Navy? Oder gab es einen besonderen Grund, dass über ... öhm, besagten Midshipman eine Beurteilung erstellt wurde?«
»Ach, die sind seit dreißig oder vierzig Jahren bei uns Tradition«, erwiderte Cayleb. »Großvater hat das eingeführt, als er selbst noch Offizier war. Jeder Vorgesetzte muss jährlich eine Beurteilung über jeden ihm unmittelbar Unterstellten
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