Die Eiserne Festung - 7
einmal in seinen wildesten Träumen hätte ausmalen können.
Staynair und er saßen im Studierzimmer des Erzbischofs. Es lag im dritten Stock des erzbischöflichen Palastes, der seinerseits unmittelbar neben der Kathedrale von Tellesberg lag. Durch die offenen Fenster wehten die nächtlichen Geräusche der Stadt herein. Die Nacht war recht kühl - zumindest für einen Oktober-Tag in Tellesberg. Das war ein echter Segen nach der Hitze des Tages. So spät am Abend waren die Geräusche der Stadt nur noch sehr verhalten, auch wenn es in Tellesberg nie ganz still wurde - nicht hier, in der Stadt, die niemals schlief. Aber der Palast lag weit genug entfernt von den stets geschäftigen Docks, sodass der dort selbst zur Abendstunde herrschende Lärm kaum noch zu hören war.
Die Residenz des Erzbischofs befand sich in einem herrlichen Park, der mehr als einen Hektar groß war. Allein das Grundstück besaß beachtlichen Wert, gerade wenn man bedachte, wie kostspielig Grundstücke in Tellesberg waren. Der Palast war ein prächtiger Bau aus goldschimmerndem Ahrmahk-Marmor. Es war ein Prunkgebäude, in dem ein Erzbischof von Mutter Kirche so zu residieren vermochte, wie es ihm dank seines hohen Amtes zustand. Doch Staynairs Geschmack war deutlich schlichter als der der meisten seiner Vorgänger. Schon kurz nach Amtsantritt hatte er beispielsweise deren kostspielige Möbel aus dem Raum entfernen lassen. Jetzt war das Arbeitszimmer mit Stücken möbliert, die er und Ahrdyn, seine schon vor langer Zeit verstorbene Gemahlin, im Laufe der Jahre zusammengetragen hatten. Diese Möbelstücke waren durchaus geschmackvoll, sehr bequem und zweifellos alt. Und sie wurden (ganz offenkundig) sehr geliebt.
Staynair hatte es sich in seinem Liegesessel bequem gemacht, die Lehne war zurückgekippt, sodass er darin eher lag als saß. Den Sessel hatte seine Frau zur Feier seiner Ordinierung zum Bischof eigens anfertigen lassen. Seitdem hatte Staynair den Sessel zweimal neu beziehen lassen. Warf man jetzt einen genaueren Blick auf den Polsterstoff, erkannte man sofort, dass der dritte Bezug bald fällig wäre. Dieses Mal war der Grund die schneeweiße Katzenechse, die momentan zufrieden auf dem Schoß des Bischofs lag und glücklich schnurrte, ansonsten aber gern ihre Klauen am Polster des Sessels wetzte. Die Katzenechse hieß, obwohl männlichen Geschlechts, nach Staynairs Frau Ahrdyn. Ahrdyn war dankbar für den herrlichen Kratzbaum in Liegesessel-Form. Nur wusste er genau, im Gegensatz zu irgendwelchen albernen Menschen, wer hier in Wahrheit wem gehörte.
Das Schnurren brach ab, und Ahrdyn hob missbilligend den Kopf. Staynair nämlich beugte sich soeben weit genug vor, um einen neuen Schluck Brandy in das Glas einzugießen, das Wave Thunder ihm entgegenstreckte. Glücklicherweise blieb die Ordnung des Universums, jedenfalls in den Augen der Katzenechse, nicht lange gestört. Denn rasch nahm Ahrdyns Lieblingsmatratze wieder eine annehmbare Position ein. Besser noch: die Hände seines Menschen, der wegen eines schnöden Getränks davon abgelenkt worden war, seine natürliche Aufgabe zu erfüllen, nahmen pflichtschuldig das Kraulen und Streicheln wieder auf, das Ahrdyn einfach zustand.
»Es ist wirklich beruhigend zu wissen, dass der oberste Hirte des Kaiserreiches aus so hartem Holz geschnitzt ist«, merkte Wave Thunder trocken an und schwenkte das Glas. »Wie unangenehm wäre mir der Gedanke, Ihr könntet Euch manipulieren lassen, Gott behüte!«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen«, gab Staynair zurück, ein gelassenes Lächeln auf den Lippen.
»Oh, natürlich nicht!« Wave Thunder stieß ein Schnauben aus. Er nahm einen weiteren Schluck Brandy. Einen Moment lang behielt er ihn noch im Mund und genoss das volle Aroma, ehe honigsüßes Feuer seine Kehle hinabrann. Wave Thunder genoss auch dies. Erst dann wandte er sich dem eigentlichen Grund für seine heutige Unterredung mit dem Erzbischof zu.
»Ich erkenne durchaus die Logik, die hinter Eurem Reiseplan steht, Maikel«, sagte er nüchtern. »Aber, um der Wahrheit die Ehre zu geben, habe ich einige ernst zu nehmende Einwände dagegen.«
»Jemand mit Ihren Aufgaben kann gar nicht anders, als dagegen Einwände zu haben.« Kaum merklich zuckte Staynair mit den Schultern. »Ein Teil von mir wünscht sich schließlich auch, ich könnte einfach hier zu Hause bleiben. Das liegt nicht nur daran, dass überall gedungene Mörder lauern könnten oder eine solche Reise ungleich profanere
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