Die Eiserne Festung - 7
schon eine recht genaue Vorstellung, was wir beide so treiben.« Er verzog das Gesicht. »Zweifellos wird sie meinen Atem sofort einer Schnüffelprobe unterziehen, sobald ich zur Tür hereinkomme!«
Wieder lachte Staynair leise in sich hinein. Leahyn Raice, ihres Zeichens Lady Wave Thunder, wurde hin und wieder als Furcht einflößend beschrieben - was durchaus zutreffend war. Sie war beinahe so groß wie ihr Gemahl, und nie hätte jemand sie als zierlich beschrieben. Zu so manchem Thema hatte sie eine sehr eindeutige Meinung. Außerdem besaß sie eine äußerst spitze Zunge, die zum Einsatz zu bringen sie sich auch nicht scheute, und einen scharfen Verstand, mit dessen Hilfe sie ihrem Mann bei schon einigen kniffligen Problemen geholfen hatte. Zugleich war sie aber auch eine warmherzige, sehr fürsorgliche Frau. Das wusste kaum jemand so gut wie der Priester, der schon lange auch ihr Bischof war. Leahyn Raice gab sich redlich Mühe, sich ihre Herzensgüte nicht anmerken zu lassen. Allerdings war sie dabei nicht sonderlich erfolgreich. Bynzhamyn und sie waren schon fast fünfundzwanzig Jahre verheiratet. Staynair wusste zwar, dass Wave Thunder immensen Spaß daran hatte, so zu tun, als bewache sie ihn, ihren Ehemann, mit Wyvernaugen und ließe ihm keine ruhige Minute. Aber jeder, der sie kannte, wusste, dass dem nicht so war. Trotzdem ließ sich nicht bestreiten, dass Leahyn Raice recht besitzergreifend war, was ihren Gemahl betraf - wie eine Wyvern ihre Brut, umhegte sie ihn und überschüttete ihn mit Fürsorglichkeit.
»In Wirklichkeit piesackt Ihre Gemahlin Sie doch nur wegen dieses Herzanfalls, wissen Sie?«, sagte der Erzbischof jetzt sanft.
»Das weiß ich doch!« Wave Thunder gestattete sich ein schiefes Grinsen. »Aber das ist doch schon sechs Jahre her, Maikel! Alle Heiler haben mir gesagt, ein Schlückchen Wein hier und da - oder auch Whiskey, in Maßen genossen - würde mir überhaupt nicht schaden. Tatsächlich haben sie sogar gesagt, das würde mir guttun!«
»Wenn ich nicht genau wüsste, dass Ihre Heiler Ihnen das gestattet haben, hätte ich Sie niemals eingeladen, meine Vorräte zu plündern«, merkte Staynair an.
»Ach, ich wünschte nur, einer von denen würde mal mit ihr reden!«
»Unfug!« Spielerisch drohte Staynair ihm mit dem Finger. »Versuchen Sie doch nicht, mich hinters Licht zu führen! Dieses Spielchen spielen Sie beide doch schon seit Jahren, und ich weiß wirklich nicht genau, wer von Ihnen beiden mehr Spaß daran hat!« Scharfsinnig blickte er Wave Thunder an. »Meistens habe ich ja das Gefühl, dass in Wahrheit Sie das sind.«
»Das ist doch lächerlich!« So recht überzeugend klang der Widerspruch des Leiters der Spionageabteilung nicht - wie Staynair nicht entging. »Aber wie dem auch sei, ich sollte jetzt wirklich nach Hause gehen.« Wave Thunder wuchtete sich aus dem Sessel.
»Ich weiß«, gab Staynair zurück. Doch etwas in seinem Ton ließ den Baron mitten in der Bewegung innehalten. Fragend hob Wave Thunder die Augenbrauen, dann ließ er sich wieder in den Sessel zurücksinken und neigte den Kopf ein wenig zur Seite.
»Und was habt Ihr gerade eben doch noch mir gegenüber zu erwähnen beschlossen, Maikel?«, fragte er.
»Wir kennen einander wirklich schon geraume Zeit, nicht wahr?«, merkte Staynair an.
»Allerdings. Und diesen Gesichtsausdruck kenne ich auch. Also, warum legt Ihr nicht einfach los, statt sich von mir alles, was Ihr mir ohnehin eigentlich erzählen wollt, einzeln aus der Nase ziehen zu lassen?«
»Das ...« Staynair klang ausgesprochen ernst, beinahe schon zögerlich, »... ist für mich wirklich ein bisschen schwierig.«
»Warum?«, erkundigte sich Wave Thunder in merklich verändertem Tonfall. Besorgt kniff er die Augen zusammen, als er bemerkte, dass das Unbehagen des Erzbischofs gänzlich echt war - und höchst ungewöhnlich.
»Morgen«, setzte Staynair an, »wird Pater Bryahn Sie schon sehr früh in Ihrem Büro aufsuchen und Ihnen ein halbes Dutzend Päckchen aushändigen. Sonderlich groß sind sie nicht, aber trotzdem ziemlich schwer - weil sie fast nur aus Papier bestehen.«
»Papier?«, wiederholte Wave Thunder. Dann lehnte er sich erneut in dem Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. »Was für eine Art Papier, Maikel?«
»Dokumente«, erwiderte Staynair. »Eigentlich eher Akten. Gesammelte Notizen, offiziell getätigte Aussagen, persönliche Briefe. Betrachten Sie das alles als ... Beweismittel.«
»Beweismittel? Worum
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