Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
Zombiewildschwein aufgespießt worden war.
»Was für eine Geschichte?«
Mina konnte nur den Kopf schütteln. Und sie brauchte mehrere Minuten, bis sie wieder ausreichend Luft bekam, um sie ihm zu erzählen.
10
Als Mina zum Abendessen ihre Kabine verließ, um sich zu den anderen zu gesellen, stand Scarsdale wartend im Flur. Er begrüßte sie liebenswürdig und bot ihr den Arm an, den sie lächelnd nahm. Sie warf einen kurzen Blick durch die offene Tür von seiner und Trahaearns Kabine, konnte den Herzog jedoch nicht sehen … aber Mina hatte auch nicht die Absicht, nach ihm zu fragen.
»Yasmeens Kabine ist nur ein Deck höher.« Scarsdale blickte starr geradeaus, während sie nebeneinander hergingen. »Solange ich kein Bullauge sehe und so tue, als hörte ich die Motoren nicht, gelingt es mir sogar, mir einzubilden, ich wäre auf einem richtigen Schiff.«
»Ich kann Euch das nächste Mal mit verbundenen Augen führen.«
Er lachte kurz auf. »Das habe ich schon getan.«
Yasmeen musste von seiner Angst gewusst haben. Die Fenster ihrer Kabine waren verhängt. Als Mina mit Scarsdale eintrat, blieb sie nur deshalb nicht wie angewurzelt stehen, weil er einfach weiterging. Der Raum sah aus wie das Gemälde eines Serails. Rote Vorhänge bedeckten die Wände. Ein kleiner Brunnen sprudelte in der Ecke, und in einem Hängekäfig zwitscherten gelbe Kanarienvögel. In der Mitte des Raumes stand ein runder Teakholztisch auf einem dicken, gewebten Teppich und war umgeben von weichen Ottomanen und riesigen Kissen, die mit saphirblauer und smaragdgrüner Seide bezogen waren.
Mit weit geschnittenen Hemdsärmeln und einem blauen Kopftuch fläzte Lady Corsair neben dem Tisch, und Rauch quoll kräuselnd aus ihrem Mund. Neben ihr saß Archimedes Fox. Der Abenteurer hatte sein gelbes Jackett gegen ein taubenblaues eingetauscht und betrachtete die Kapitänin mit gesenkten Lidern und angespanntem Gesicht. Das Gespräch, das sie geführt haben mussten, bevor Mina und Scarsdale hereinkamen, schien nicht besonders erbaulich gewesen zu sein.
Ein Dienstmädchen nahm Mina den Überzieher ab, und sie ließ sich Yasmeen gegenüber zwischen Scarsdale zu ihrer Rechten und Fox zu ihrer Linken in die Kissen sinken.
Scarsdale strahlte über das ganze Gesicht. »Gunter-Baptiste! Verrückt, dich hier wiederzusehen.«
»Er heißt jetzt Archimedes Fox«, berichtigte Yasmeen mit gekräuselten Lippen.
»Fox? Nein.«
»Ja«, sagte Fox, und sein Ausdruck entspannte sich, als Scarsdale lachte, bis ihm die Tränen in die Augen traten. Yasmeen nickte den Dienstmädchen zu, und sie begannen, Tabletts auf den niedrigen Tisch zu stellen. »Doch der Dame scheint es nicht zu gefallen.«
»Mir gefallen nur wenige Männer.« Yasmeen lächelte Scarsdale an. »Wo ist Trahaearn?«
Scarsdale zuckte mit den Schultern. »Du kennst den Kapitän. Ein Tisch ist zum Essen da, nicht zum Reden. Und er würde lieber seine eigene Hand verspeisen, als dazusitzen und zu plaudern … womit ich wohl falsch liege.«
Mina warf einen Blick über die Schulter. Trahaearn kam herein und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Ohne ein Wort zu sagen, rückte Scarsdale näher zu Yasmeen, und der Herzog nahm sämtliche Kissen neben Mina und die Hälfte von ihrem in Beschlag. Sie blickte ihn finster an. Mit einem kleinen Lächeln hielt er ihrem Blick stand, bis ihr die Absurdität der Situation bewusst wurde und sie den Blick abwenden musste.
Ein Mädchen füllte ihr Glas mit einem schweren Burgunderwein. Bevor Mina etwas einwenden konnte, sagte Yasmeen: »Seien Sie versichert, dass ich keine süßen Weine an Bord habe.«
Froh, dass sie nicht hatte fragen müssen, nippte Mina daran. Genüsslich schloss sie die Augen. Der ausgeprägte Geschmack war ganz anders als die verwässerten Honigweine, die ihre Familie manchmal zu Neujahr kaufte. Dieser war warm und würzig und schien beinahe selbst eine Mahlzeit zu sein. Sie nahm einen größeren Schluck und musste ihre Freude verbergen, als eins der Mädchen augenblicklich nachschenkte.
Scarsdale und Fox bestritten das Gespräch, und hin und wieder machte Yasmeen eine Bemerkung. Mina konzentrierte sich auf ihren Teller und den Wein und kostete von den ungewöhnlichen Speisen, welche die Mädchen vor sie hinstellten: Joghurt mit Gurke, eine Art hellbrauner Paste mit Knoblauchgeschmack, ein luftiges Stück Weißbrot. Doch vor allem genoss sie den Reis. Gelb und duftend war er, ganz anders als der Reis, den sie von zu Hause kannte, obwohl
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