Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
kein Risiko; manche Leute bekamen in den ersten Stunden ein leichtes Bug-Fieber, doch Mina hatte noch nie gehört, dass jemand an der Injektion gestorben wäre – und ihr Vater hatte Tausende infiziert, die meisten davon Kinder.
Doch war die Freiheitspartei weniger über die Gesundheitsrisiken als über die Naniten selbst besorgt, die angesichts der bevorstehenden allgemeinen Wahlen zum kontroversesten Thema geworden waren. Das war nicht beabsichtigt gewesen, doch angesichts der Bounder, die ihre Sitze einforderten, hatte die Freiheitspartei damit zu kämpfen, dass die Bugger selbst gegen ihre eigenen Interessen anredeten. Politische Gegner debattierten, ob Bugger das Recht haben sollten, ein Amt innezuhaben oder zu übernehmen, und verwiesen dabei auf die Gefahr, dass ein Richter oder Abgeordneter in seinen Entscheidungen von einem bloßen Funksignal beeinflusst werden konnte. Der Hinweis darauf, dass die Horde nicht ihre Gedanken kontrolliert hatte, half nicht viel, weil die Horde aus König Edward nun einmal eine Marionette gemacht und so oft an seinen Drähten gezogen hatte, dass es seinen Verstand ruiniert hatte.
Angst vor Kontrolle war das Erbe der Horde, und die Freiheitspartei tat wenig, um sie zu zerstreuen. Die Paranoia war so allgemein verbreitet, dass Mina sogar Geschichten über eine Schwarze Garde gehört hatte – lautlose Agenten der Horde, die sich nachts in die Häuser von Buggers schlichen, ihre Naniten einfroren und sie hilflos zurückließen und andere entführten, um sie zu versklaven.
Mina wusste nicht, wie viele Briefe ihr Vater an Adlige und einflussreiche Kaufleute geschrieben hatte, um den Sieg des gesunden Menschenverstandes über die Angst einzufordern; es mussten unzählige Briefe sein, hatte er doch beinahe jeden Abend mit Schreiben zugebracht. Als das Parlament seine Sitzungen wieder aufnahm, war er tagsüber mit Angelegenheiten im White Chamber beschäftigt – und betreute weniger Patienten.
Also mussten sie ihren Gürtel erneut enger schnallen.
»Ich tue mein Bestes, Liebes. Vielleicht können wir vor den Wahlen noch ein paar überzeugen.«
Ihre Mutter seufzte und nickte. »Trotz all meiner Bemühungen erwarte ich keine neuen Damen heute Abend beim Liga-Treffen. Mina, erzähl uns bitte, dass du erfolgreicher warst als wir.«
War sie nicht gewesen; sie wusste nicht einmal, wer getötet worden war. Doch das sollte sich noch ändern.
»Ich habe den Eisernen Herzog kennengelernt und mehrere Stunden in seinem Haus verbracht«, erzählte sie ihnen, und obwohl Mina nicht von ihrem Teller aufblickte, spürte sie die plötzliche Aufmerksamkeit. »Er wusste, wer du bist, Mutter. Er hat deine Liga erwähnt.«
Ihre Mutter japste nach Luft, und mit einer Hand griff sie nach ihrem Herzen. Ihr Mund öffnete und schloss sich mehrmals, bevor sie flüsterte: »Du lügst nicht.«
Ihre Mutter konnte erkennen, wenn jemand sie anlog, was sie an einer Veränderung der Hauttemperatur und der unfreiwilligen Bewegung von bestimmten Gesichtsmuskeln ablesen konnte. Vielleicht war das ein weiterer Grund für ihre Melancholie. Wie oft hatte man ihr gestern Abend ins Gesicht gelogen?
Jetzt erhellte ein Lächeln ihre zarten Gesichtszüge. Minas Vater sagte: »Sieh an, Liebling, du hast mehr Leute erreicht, als dir bewusst ist.«
»Es ist die Vervielfältigungsmaschine. Ich könnte niemals so viele Briefe schreiben, wenn ich die Bewegungen meines Stifts nicht aufzeichnen könnte.« Sie musste auf einmal lachen. »Wenn ich weiterhin jede Woche Briefe verschicke, wird er der Liga womöglich beitreten, damit ich endlich damit aufhöre.«
Mina grinste. Wahrscheinlich würde ihre Mutter genau das tun. Als sie aufblickte, ruhte der Blick ihrer silbernen Augen auf Mina.
»Was für einen Eindruck hat er auf dich gemacht?«
»Er ist eine beeindruckende Erscheinung – ziemlich groß – und in seiner Art ganz schön einschüchternd.« Und er hatte sowohl Scham als auch Wut in ihr ausgelöst. »Man begreift sofort, weshalb so viele Kapitäne ihr Schiff aufgegeben haben, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern. Ich hätte es auch getan.«
»Nein, Mina«, widersprach ihr Vater. »Du hättest zurückgeschossen.«
Der Eiserne Herzog hatte mit seiner Bemerkung über ihre Mutter einen Versuch gemacht, doch Mina hatte das Feuer nicht erwidert. Sie war zurückgewichen. Seine Bemerkung war entweder gedankenlos oder grausam gewesen, und Trahaearn kam ihr nicht vor wie jemand, der etwas Unüberlegtes sagte.
Es war also
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