Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
Apparate ihrer Mutter wurden in seinen Geschäften für hohe Summen verkauft, trotzdem erhielt sie nur ein Almosen, nachdem der Schmied seinen Anteil eingestrichen hatte.
Der Arm des toten Mannes musste eine Menge gekostet haben. Vielleicht hatten er oder seine Familie Geld – doch wenn er immer noch Schulden hatte, hatte der Schmied Informationen über den letzten Aufenthaltsort des Mannes. Es hieß, der Schmied fand jeden, der seinen Zahlungen nicht nachkam.
Informationen darüber, wo der Mann gewesen war, könnten sich als nützlich erweisen. Was Mina allerdings brauchte, war ein Name.
Das Lesegerät klickte erneut. Als der Stift langsam umblätterte, sagte ihr Vater: »Bis deine Mutter das Blut auf deinem Kleid gesehen hat, dachte sie, dass du den jungen Newberry bestochen hast, dich von dem Siegesball wegzulotsen.«
Mina lachte und sah das kurze Lächeln ihrer Mutter. Niemand konnte ihrem Vater Ineffizienz vorwerfen. Er konnte sie beide mit einer Bemerkung fröhlich stimmen.
Das Lächeln ihres Vaters verschwand beinahe hinter dem braunen Vollbart, doch die Enden seines Schnäuzers zuckten, als er fortfuhr: »Während ich gedacht habe, dass du das Kleid nur mit Blut verschmiert hast, um deine Mutter das glauben zu machen. Es war nämlich nicht frisch.«
Ihr Vater hatte die Flecken also geprüft, um sicherzugehen, dass es nicht Minas Blut war. »Das war es nicht. Er war eine Zeit lang gefroren gewesen.«
Sie blickte über den Tisch zu ihrer Mutter. »Ist das Kleid ruiniert?«
»So ziemlich.« In ihrer Stimme war kein Tadel zu vernehmen. Sie schien heute Morgen bedrückt zu sein. »Wir werden sehen, was Sally von dem Stoff retten kann.«
»Newberry hat leider nicht daran gedacht, meine Dienstkleidung mitzubringen.« Mina blickte auf ihre schwarzen Hosen, die in derben Stiefeln steckten. Sie hätte das auf dem Ball tragen sollen. Die Leute sollten ihr vielleicht so begegnen, wie sie wirklich war …, obwohl es kaum eine Rolle spielte. Sie könnte auch nackt die Oxford Street entlangmarschieren, und niemand würde irgendetwas anderes als ihre mongolischen Gesichtszüge bemerken. Sie blickte zu ihrem Vater. »Hattest du Gelegenheit, mit Mr Moutten zu sprechen?«
Die Patienten, die ihr Vater betreute, waren häufig schlechter dran als Minas Familie, und die Bezahlung kam selten in Form von Geld. Ihr Vater akzeptierte alles – Hühner, Essen, Reparaturen – , fragte aber vor allem nach kaputten Geräten, die ihre Mutter dazu benutzte, ihre Automaten herzustellen, die sie in den Geschäften des Schmieds verkaufte. Minas Lohn deckte nur das Allernötigste. Nachdem sie die Steuern bezahlt hatten, die kaum niedriger waren, als die Horde sie erhoben hatte, und die Löhne für den Koch und die beiden Dienstmädchen – viel weniger, als das Stadthaus selbst mit zum Großteil ungenutzten Räumen benötigte – , kam Minas Familie gerade so über die Runden.
Doch ihr Vater hatte gehört, dass der Leibarzt eines Bounders zurück in die Neue Welt geflohen war. Um mehr Bargeld zu beschaffen, hatte er vorgehabt, dem Herrn seine Dienste anzubieten.
»Ich bin«, sagte er im tonlosen Akzent der Bounder, »ein prima Kerl und zu einer Gefälligkeit gern bereit.«
Eine Gefälligkeit ? Das klang nicht gerade vielversprechend. »Im Tausch gegen was?«
»Seine Wertschätzung? Eine Empfehlung?« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber eine Bezahlung hatte Moutten keinesfalls im Sinn.«
Dachten sie etwa, die Arbeit ihres Vaters wäre nur ein Zeitvertreib? Zum Teufel mit diesen idiotischen Boundern . Was aßen sie verdammt noch mal in Manhattan City? Luft? Vielleicht fiel das Essen ja von den Bäumen und rollte ihnen auf goldene Teller.
Oder vielleicht glaubten sie, dass die Dienste eines unter der Horde ausgebildeten Mediziners nichts wert waren. Arrogante Spinner, diese Bounder – alle miteinander.
»Vielleicht ist es trotzdem das Beste so«, fuhr er gelassen fort, und Mina verstand nicht, wie er ruhig bleiben konnte, während sie vor Wut kochte. »Ich würde ihnen raten, sich selbst zu infizieren, nur will das keiner von ihnen hören.«
Ihre Mutter hob das Kinn und deutete auf die Nachrichtenblätter. »Sie werden das sowieso nicht tun können, sobald sich die Freiheitspartei durchsetzt.«
Im Gegensatz zu sämtlichen Nationen in der Neuen Welt war es in England nicht verboten, jemandem Blut zu verabreichen, das Naniten trug. Jeder Mediziner oder Schmied konnte eine Injektion verabreichen. Der Vorgang barg
Weitere Kostenlose Bücher