Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
allem außer der Farbe entsprachen, lösten auf den ersten Blick nicht gleich Unwohlsein aus. Doch was das Gesicht betraf – das gesamte Gesicht –, so schien etwas unter der unbehaarten grauen Haut nicht zu stimmen, selbst wenn Mina nicht auf einen bestimmten Gesichtszug hätte zeigen können, der nicht aussah und sich nicht so bewegte, wie er sollte. Vielleicht lag es einfach daran, dass man nicht wusste, ob das Gesicht des Schmieds seins war. Hatte er die breite Stirn und die hohen Wangenknochen seinen natürlichen Zügen entsprechend geformt, oder besaßen sie eine andere Funktion?
Die verstörende Wirkung beruhte darauf, dass sein Aussehen jeden Versuch unmöglich machte, ihn irgendwie einzuordnen – und Mina glaubte, dass dies jeden, der ihn zum ersten Mal sah, verstörte. Er hätte ein amerikanischer Ureinwohner oder ein Angehöriger der Horde oder von den Südseeinseln sein können. Er hätte Liberé-Blut in sich tragen können oder von Afrikanern abstammen, die auf französischen Schiffen vor der Horde geflohen waren, gemeinsam mit Europäern oder den wenigen Russen, die in die Neue Welt anstatt gen Norden in skandinavische Länder entkommen waren.
Doch obwohl die Abstammung des Schmieds unmöglich zu erraten war, war es seine Herkunft nicht. Mina hatte einmal einen Mann aus Australien getroffen – aus den japanischen Gebieten im Norden und nicht den südlichen, in denen es vor Schmugglern nur so wimmelte – , und sie glaubte, dass der Akzent des Schmieds seinem glich.
Zu ihrer Überraschung umfassten er und der Herzog gegenseitig ihre Unterarme zur Begrüßung, als gäbe es keine Förmlichkeit zwischen ihnen. Dieser Eindruck verstärkte sich noch, als der Schmied einfach sagte: »Trahaearn.«
» Schmied «, entgegnete der Herzog und machte damit Minas Hoffnung zunichte, seinen richtigen Namen zu erfahren.
Vielleicht hatte er ja gar keinen. Viele Kinder, die in den Krippen der Horde aufgewachsen waren, besaßen keinen Familiennamen. Die meisten suchten sich selbst einen Namen, wie es Trahaearn wahrscheinlich getan hatte, oder sie machten ihre Berufsbezeichnung zum Nachnamen. Vielleicht war »Schmied« sein einziger Name.
»Inspektor.« Der Schmied blickte zuerst zu Mina, bevor sein spiegelnder Blick zu Newberry wanderte. »Sie besitzen die gleichen Naniten.«
»Von meinem Vater«, sagte Mina. »Er hat uns beide infiziert.«
»Ja, ich erkenne sie. Er hat mir bei der Operation Ihrer Mutter assistiert. Ein begabter Mediziner.«
Mina musste das ihrem Vater unbedingt weitersagen. »Ja.«
Der Schmied nickte, trat zu Newberry und nahm ihm die schwere Eiskiste ab. Die Bugs machten einen stark; sogar Mina hätte sie tragen können. Der Schmied klemmte sie sich wie ein Kissen unter den Arm.
Zu Minas Enttäuschung führte er sie in ein Büro und nicht in eins der Labore. Es gab trotzdem eine Menge zu sehen, während er die Kiste auf dem Schreibtisch abstellte. In der Ecke stand eine große Rüstung, nicht so schwerfällig wie die der Königlichen Marinesoldaten, jedoch zu klein für den Schmied – und wahrscheinlich viel zu schwer, um damit ohne Dampfkraft die Gliedmaßen zu bewegen. Ein seltsamer Apparat stand auf einem Regal: ein glatter, ungefähr dreißig Zentimeter langer Stift auf einem massiven Würfel. Er schien keine beweglichen Teile zu haben, aber vielleicht war es ein Rätselspiel, das sich entfaltete und neu zusammensetzte, wenn die richtige Kombination eingegeben wurde. Daneben lag ein halbfertiges Modell einer Krake, deren Tentakeln aus künstlichem Fleisch waren – und ein mattgrauer, offensichtlich noch fehlender elektronischer Impulsgeber.
Beim Menschen kam dieser Impuls vom Nervensystem und wurde von den Bugs übertragen. Ohne den elektronischen Impulsgeber würde das künstliche Fleisch allerdings so bewegungslos sein wie ein Stück Metall.
Der Schmied nahm den Arm aus der Eiskiste. Missbilligend verzog sich die mattgraue Haut um seinen Mund herum. »Die Naniten sind tot.«
»Wie er auch«, sagte Trahaearn.
»Ja. Doch es müsste eine Restaktivität geben.« Er griff nach einer Batterie aus Kondensationsflaschen und verband die Schnittstellen mit dem Schulterende, wo Drähte aus dem Fleisch ragten. Ein Funke entstand zwischen den Kontaktpunkten. Der missbilligende Ausdruck des Schmieds verstärkte sich noch. »Wie lange ist er schon tot?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Mina. »Er war gefroren.«
Er hob das Gehirn aus dem Eis und hielt es in seinen Handflächen. Der intensive
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