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Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Titel: Die eiskalte Jahreszeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.D. Miller
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und die Augen tränten. Auf dem Rückweg vergaß ich, meine Mütze aufzusetzen. Wäre ich zu lang im Freien geblieben, hätte ich vielleicht ein Ohr verloren. Schnee fiel mir von den Stiefeln, als ich in meinem Haus die Treppe hochging und auf Oleg Nikolaewitschs Summer drückte.
    »Oleg Nikolaewitsch«, fragte ich ihn, als er an die Tür kam, »hat Konstantin Andrejewitsch einen Sohn?«
    Oleg Nikolaewitsch schüttelte den Kopf.
    Und dann, weil wir noch dastanden und weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte, aber etwas sagen wollte und weil mir plötzlich einfiel, dass ich es nicht wusste, fragte ich ihn, wie seine Katze hieß.
    »Sie heißt George«, sagte Oleg Nikolaewitsch und wandte sich ab.

ZEHN
    W eißt du, wie sie es machen? Wie es die echt harten Typen machen? Erst suchen sie sich einen Besoffenen oder Penner und geben ihm fünfhundert Dollar, ein Foto des Opfers und versprechen ihm noch einmal fünfhundert, sobald der Job erledigt ist. Der Penner denkt sich, Scheiße, das reicht, um mich ein Jahr lang mit Crystal oder Gefrierschutzmitteln einzudecken. Also macht er sich in irgendeinem Hauseingang oder einer Gasse mit einem Hammer oder Messer über sein Opfer her. Hält er sich für was Besseres, benutzt er vielleicht auch eine dieser Luftpistolen, die man sich in kleinen Betrieben in Litauen in echte Pistolen umbauen lassen kann.«
    »Warum in Litauen?«
    »Hör zu, das ist noch nicht alles. Jetzt kommt erst der wirklich clevere Teil, Nick. Anschließend geben die Kunden nämlich einem Profi zehntausend, damit der auch den Penner beseitigt – saubere Sache, weißt du, mit Schalldämpfer, präziser Schuss in den Kopf, vom Feinsten. So lebt niemand mehr, der den Kunden mit dem ursprünglichen Opfer in Verbindung bringen könnte.
Finito

    Dann schwieg Steve Walsh, um, wie ich mich erinnere, zwei langbeinigen Rothaarigen zuzusehen, die sich hinter meiner linken Schulter um eine Tanzstange jagten, eine als Häschen verkleidet (elastische Ohren, weißes Fellschwänzchen), die andere als Bär (Klauen, Bärenfell- BH , kleine braune Bärennase). Russki Safari, ich glaube, so hieß der Stripladen, Steves Lieblingsschuppen, irgendwo draußen am Komsomolski-Prospekt.
    »Wow«, sagte er und trank aus.
    Mit seiner Mordepistel hatte er angefangen, als ich ihn fragte, was denn aus der großen Energiegeschichte geworden war, an der er im Herbst gearbeitet hatte. Sie wurde abgelehnt, sagte Steve, die Redakteure hätten wegen möglicher Verleumdungsklagen Schiss gekriegt. Allerdings sei er deshalb in Sibirien gewesen, in einer dieser obskuren Gegenden Russlands, die dreimal größer als ganz Europa sind. Offenbar waren es dort minus siebenunddreißig Grad gewesen, und er hätte fast seine Zehen verloren. Er sei hingefahren, weil dem Gouverneur dieser Provinz einen Monat zuvor plötzlich das Blut zu Kopf gestiegen sei: Er hatte eine Kampagne gegen Korruption gestartet und war damit irgendwem im Innenministerium auf die Füße getreten, weshalb man ihn kurz darauf tot in seiner
banja
unten im Garten fand. Es sei Selbstmord gewesen, erklärte Steve, zumindest laut Auskunft des Staatsanwalts und der Regionalzeitungen. Der Gouverneur hatte sich in den Kopf geschossen – zweimal.
    Wir mussten beide lachen. Nach einer Weile lernt man zu lachen.
    Also hatte er angefangen, mir zu erklären, wie der russische Markt für Auftragsmorde funktionierte. Der Preis sei gestiegen, erzählte Steve. Man könne zwar versuchen, ehemalige tschetschenische Rebellen zu engagieren, doch gelänge das nur über ihre Freunde in der russischen Armee, die ihnen die Waffen verkauften, und das treibe die Kosten in die Höhe. Wolle man heutzutage einen kompetenten Mörder für weniger als zehntausend Dollar auftreiben, müsse man, so mutmaßte er, schon nach Jekaterinburg oder runter nach Kaluga fahren. Inflation, sagte er. Schrecklich, sagte ich.
    Der Bär fing das Häschen oder umgekehrt, und sie begannen, sich gegenseitig aufzufressen. Kaum waren sie fertig, hängte sich eine Blondine, die nur eine Pilotenbrille und High Heels trug, an den Fußknöcheln kopfüber an die bis zur Decke reichende Tanzstange. Begeistert gönnte sich Steve noch ein Schlückchen Rotwein.
    Ich habe mich, vielleicht sollte ich das lieber zugeben, in meinem ersten Jahr in Moskau viel zu oft in solchen Sexbars herumgetrieben – im Snow Queen, Pigalle, in der Kama Sut-Bar. Solche Besuche gehörten fast schon zu meinem Job. Früher, als ich noch in London wohnte,

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