Die eiskalte Jahreszeit der Liebe
Ski fahren, aber dafür liebt er die
banja
.« Sie sah mich an, im Mundwinkel ein angedeutetes Lächeln, das Grinsen eines sinnlichen Triumphs. Ich wurde rot.
Tatjana Wladimirowna erzählte von ihrer Fahrt nach Butowo. Es habe nicht so ausgesehen, als wäre an der Wohnung viel getan worden, sagte sie, doch hätte Stepan Mikhailowitsch erklärt, dass man zurzeit Leitungen verlegen würde. Und die Hauptsache sei, sagte Tatjana Wladimirowna, dass es schön sei dort im Schnee, so schön, mit den von Winterstiefeln hinterlassenen Spuren unter den Bäumen und um den Teich im Wald gegenüber ihrer neuen Wohnung.
Als sie noch ein Mädchen gewesen sei, fuhr Tatjana Wladimirowna fort, hätten sie, ehe sie nach Leningrad zogen, sich ihre eigenen Ski aus Baumborke gemacht. Für den Winter wurde Gemüse in großen Gläsern eingelegt, Kohl, rote Bete und Tomaten; und im November hätten sie ein Schwein geschlachtet und davon fast bis zum Tauwetter gelebt. Ihre Familie sei arm gewesen, erzählte sie, nur hätten sie nicht gewusst, dass sie arm waren. Mir fiel ein kleiner blonder Oberlippenbart auf, den ich zuvor nicht an ihr bemerkt hatte. Ich glaube, sie hat ihn hell gefärbt.
»Wissen Sie«, sagte sie, »aus dem Fenster der Wohnung in Butowo kann man eine Kirche sehen. Haben Sie eine Ahnung, was das für eine Kirche ist, Kolja?«
Ich erinnerte mich an die Kirche, von der sie sprach, jene weiße Kirche mit den goldenen Kuppeln, doch wusste ich nicht, welchem Heiligen oder Zaren sie gewidmet war.
»Das ist eine ganz besondere Kirche«, fuhr Tatjana Wladimirowna fort. »Man hat sie zur Erinnerung an die vielen Menschen gebaut, die von Stalin ermordet wurden. Es heißt, allein in der Nähe dieser Kirche seien zwanzigtausend erschossen worden. Vielleicht noch mehr. Niemand weiß es genau … Ich bin nicht so religiös wie meine Mutter; den Glauben haben wir in Leningrad verloren; trotzdem finde ich, es ist gut, dass ich diese Kirche bald von meinem Fenster aus sehen kann.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mascha und Katja blieben ebenfalls stumm. An der Innenseite der Fenster rann das Kondenswasser in breiten Streifen herab.
Schließlich fragte Tatjana Wladimirowna: »Und, Kolja? Wollen Sie einmal Kinder haben?«
Ich weiß nicht, warum – es hatte irgendwas damit zu tun, dass das Leben weiterging, dass man daran zumindest glauben musste –, aber die Frage schien ganz natürlich an die Frage nach Stalins Kirche und den Massengräbern anzuschließen. Ich versuchte, nicht zu Mascha hinzusehen, spürte aber, wie sie sich auf ihre Tasse Tee konzentrierte und sich von mir abwandte.
»Ich weiß nicht, Tatjana Wladimirowna«, sagte ich. »Wahrscheinlich schon.«
Was nicht ganz stimmte. Ich hatte auf Bekannte, die Vater geworden waren, immer mit einer Mischung aus Verachtung und animalischer Angst reagiert und mir ihre krabbelnden, grabschenden Babys angesehen, diese entschlossenen, doch unkontrollierten Schildkrötenbewegungen, ohne das Geringste dabei zu empfinden. Keine Angst, ich habe mich geändert. Ich weiß, du willst Kinder, das ist in Ordnung.
An jenem Nachmittag sagte ich nur, was Mascha meiner Meinung nach hören wollte, was wohl die meisten Frauen hören wollen. Und hätte sie mir da gesagt, dass sie schwanger war, hätte ich es womöglich behalten wollen, hätte mich vielleicht sogar gefreut – nicht auf das Baby, aber darauf, dass es bedeutete, wir würden zusammenbleiben, vielleicht auf immer. Zugleich aber frage ich mich, ob ich nicht tief drinnen wusste, dass es mit uns kein glückliches Ende nehmen würde, ob es nicht gerade dieses Verhaftetsein im Hier und Jetzt war, was mir an ihr am besten gefiel. Ich glaube, ich habe gemerkt, dass irgendwas fehlte oder irgendwas zu viel war, auch wenn ich mir größte Mühe gab, es zu vertuschen.
»Ich will Kinder«, sagte Katja. »Vielleicht sechs. Oder sieben. Aber erst, wenn ich mit dem Studium fertig bin.« Sie ist eine schlichte Seele, dachte ich, ein offenes Buch, ein Märchen.
»Und Mascha«, erklärte Tatjana Wladimirowna liebevoll, »kann ich mir sehr gut als Mutter vorstellen.«
»Ich will Kinder, ja«, sagte Mascha mit leiser, angespannter Stimme, ohne aufzusehen, »aber nicht in Moskau.«
»Maschinka«, sagte Tatjana Wladimirowna, nahm eine meiner Hände und griff mit der anderen Hand nach Maschas Fingern, »wenn ich eines in meinem Leben ändern könnte, dann das. Pjotr Arkadjewitsch und ich, wir haben Pech gehabt, und natürlich war da seine
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