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Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Titel: Die eiskalte Jahreszeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.D. Miller
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Probleme. Manchmal verkauften sie sämtliche Wohnungen in einem Gebäude, verschwanden, ehe die Bauarbeiten beendet waren, und die Käufer sammelten sich in Protestcamps vor den Häusern, oder sie steckten sich in Brand vor der Firmenzentrale im Weißen Haus gleich neben dem Hotel Ukraina.
    Mascha dachte nach, das Gesicht abgewandt, ins Kissen vergraben. Ihr Hals war rot angelaufen. Auf dem Brustkorb waren noch meine Fingerabdrücke zu sehen.
    »Es wird keine Probleme geben«, sagte sie, drehte sich auf die Seite, so dass sie mich ansah, umschloss mit beiden Händen meine Finger und schaute mir ins Gesicht. Ihre Augen schimmerten dschungelgrün; die Haut war jung, fest und straff wie die einer Tänzerin, einer Kämpferin. »Und Kolja«, sagte sie, eher reserviert als zärtlich, »wir wollen bloß, dass du Papiere für Verkauf von Tatjana Wladmirownas Wohnung besorgst. Stepan Mikhailowitsch beschafft die anderen, die für Butowo. Darum brauchst du dich nicht zu kümmern, die sind alle soweit fertig. Für dich ist nur nötig, dass du Tatjana Wladimirowna sagst, alle Papiere sind in Ordnung. Das musst du ihr sagen, Kolja.«
    Ich gab keine Antwort. Sie streichelte mich.
    »Komm zurück«, sagte ich dann, mehr nicht, doch wussten wir beide, was es bedeutete. Ich hatte beschlossen, ihr zu glauben. Ich war auf ihrer Seite.
    »Okay«, sagte sie und kam zurück.
    Mascha, das muss ich dir sagen, ist ein wirklich außergewöhnlicher Mensch. Diese Selbstbeherrschung, diese Konzentration. Bestimmt hätte sie eine großartige Ärztin werden können. In einem anderen Jahrhundert vielleicht auch eine erstklassige Krankenschwester. Oder eine Schauspielerin – sie wäre sicher eine tolle Schauspielerin gewesen. Sie
war
eine tolle Schauspielerin.
    *
    Als ich das nächste Mal zum Bulwar ging, sah ich Schlittschuhläufer auf dem Tschistyje Prudy und traf vor Tatjana Wladimirownas Wohnung einen Mann, den ich nicht kannte, einen elegant wirkenden Mittvierziger mit edlem Wildledermantel. Banker, dachte ich spontan. Am kleinen Finger steckte ein Siegelring, und wenn ich mich nicht täuschte, war der Mann vor kurzem erst bei einem sicher nicht ganz billigen Friseur gewesen. Er roch geradezu nach Geld. Während er gehen wollte, flirtete Katja mit ihm, lächelte, wand sich und reckte ihre Titten vor. Er wünschte mir auf Russisch einen ›guten Abend‹, schlug den Kragen hoch und ging. Der Mann schien mir nicht zu der Sorte zu gehören, die einen Grund haben könnte, Tatjana Wladimirowna zu besuchen.
    »Wer war das?«, fragte ich, als ich die Stiefel auszog.
    »Weiß nicht«, sagte Katja und lachte.
    Sofort glitt Mascha in Socken über das Parkett auf mich zu, packte mich mit beiden Händen und sagte: »Kommt, lasst uns Bliny essen!«
    Die Russen feierten Masleniza, ein halbheidnisches Februarfest, das irgendwas mit der Fastenzeit zu tun hat, angeblich auch mit dem Winterende, Tage, an denen die Kirchenglocken läuten und man Pfannkuchen isst. Zu dritt drängten wir uns in Tatjana Wladimirownas Küche, aßen Bliny mit saurer Sahne und Roten Kaviar. Die Küchenfenster waren gegen die Kälte mit Kreppband abgedichtet – eine alte sibirische Angewohnheit, nahm ich an, die sie offenbar nicht ganz abschütteln konnte. Trinksprüche wurden ausgebracht.
    »Ich habe für diese Wohnung fast alle Unterlagen beisammen«, sagte ich Tatjana Wladimirowna.
    »Meinen herzlichen Dank«, erwiderte sie und küsste mich auf beide Wangen.
    »Und Kolja kümmert sich auch um alle Papiere für deine neue Wohnung in Butowo«, setzte Mascha hinzu, ohne mich dabei anzusehen.
    »Wunderbar«, antwortete Tatjana Wladimirowna.
    Ich lächelte und zog es vor, nichts zu sagen.

ZWÖLF
    M ascha, ich möchte, dass du meine Mutter kennenlernst.«
    »Was?«
    »Meine Mutter kommt nächste Woche nach Russland. Ich treffe mich mit ihr in Sankt Petersburg, und am Samstag fahren wir nach Moskau. Sie bleibt bis Dienstag. Und ich möchte, dass du sie kennenlernst.«
    »Warum?«
    Ich wusste es nicht. Irgendwann wollte ich ja auch, dass du sie kennenlernst, damit du dir einen Eindruck verschaffen konntest, auf wen du dich einlässt (auch wenn ich weiß, dass du nie ganz begriffen hast, warum mich ihre Engstirnigkeit so nervt, was man allerdings bei anderer Leute Eltern wohl nur selten versteht). Bloß ging es mir mit Mascha gar nicht darum. Sie hatte sich nie besonders für meine Familie interessiert, und ich glaube, ich habe mir nie eine Zukunft vorgestellt, in der Mascha gemeinsam

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