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Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Titel: Die eiskalte Jahreszeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.D. Miller
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zerschlissenen Ledertasche mitgebracht hatte. (Ich sollte nie erfahren, von wem die übrigen fünfundzwanzigtausend Dollar stammten) In der hinteren Ecke des Raumes war eine Tür mit einem dieser zuziehbaren Sicherheitsgitter, wie sie Ladengeschäfte sichern, die für die Nacht geschlossen wurden. Man öffnete das Gitter, und wir traten einer nach dem anderen durch die Tür, um eine eiserne Wendeltreppe hinabzusteigen – die Angestellten der Bank, Stepan Mikhailowitsch, Tatjana Wladimirowna sowie ich als ihr gesetzlicher Stellvertreter – bis auf unsere Schritte und gelegentlich ein paar Seufzer der alten Dame war kein Laut zu hören. Sie ging vor mir, und als jemand hinter uns das Gitter schloss, es kreischend zuzog und versperrte, sah ich ihren Kopf in einem halbautomatischen, sowjetischen Zucken herumfahren.
    Der untere Raum war ein fensterloser, luftloser, unerbittlicher Gewölbekeller mit einem kleinen Holztisch in der Mitte, so einem, auf dem du und ich vor ewiger Zeit unsere Examen geschrieben haben; darüber baumelte eine einsame Glühbirne. An den Wänden reihte sich ein Schließfach ans andere. Die Bankangestellte, deren Aufgabe es war, das Geld zu zählen – eine Armenierin, wie ich vermutete, eine dralle, auf erschöpfte Weise recht freundliche Frau mittleren Alters – setzte sich auf den einzigen Stuhl. Stepan Mikhailowitsch nahm das Geld, fünfzigtausend Dollar in Tausend-Rubel-Scheinen, aus der Aktentasche und reichte es ihr zum Nachzählen. Wir standen herum, warteten, atmeten, während sie die Scheine unter einer Neonlampe auffächerte und durch ein Okular prüfte, wie es Diamantenhändler benutzen, dann ließ sie das Geld durch eine ratternde Zählmaschine laufen. Schließlich teilte sie die Scheine in drei Stapel, erwürgte sie mit einem Gummiband, legte sie in einen anthrazitgrauen Kasten, füllte ein Formular aus und schob den Kasten in eines der Schließfächer an der Wand.
    Wir keuchten wieder die Treppe hinauf. Tatjana Wladimirowna setzte sich mit Stepan Mikhailowitsch an einen Tisch; ich blieb zwischen Mascha und Katja an eine Wand gelehnt stehen. Tatjana Wladimirowna unterzeichnete den neuen Vertrag, den Olga, die Tatarin, in aller Eile für mich aufgesetzt hatte: Ihre Wohnung für unsere fünfzigtausend Dollar. Sie unterschrieb rasch, ohne sich das Dokument durchzulesen, dann wandte sie sich lächelnd zu uns um. Eine Kopie des Abkommens würde nun an das Katasteramt geschickt werden, erklärten die Leute von der Bank. Wenn das Amt in etwa ein bis zwei Wochen den Bescheid zurücksandte, demzufolge Stepan Mikhailowitsch der neue Besitzer war, würde man ihm einen Satz Zweitschlüssel für die Immobilie aushändigen, den die Bank bis dahin verwahrte, und Tatjana Wladimirowna könne dann kommen, um das Geld abzuholen.
    »Herzlichen Glückwunsch!«, sagte Mascha.
    »Ach, Tatjana Wladimirowna!«, sagte Katja, stürzte vor und umarmte sie von hinten, obwohl sie noch am Tisch saß.
    »Herzlichen Glückwunsch!«, sagte ich.
    »Danke«, erwiderte Stepan Mikhailowitsch.
    »Geschirrspüler!«, sagte Tatjana Wladimirowna und lachte.
    *
    Etwa um diese Zeit wurde Wjatscheslaw Alexandrowitsch, der Inspektor, als vermisst gemeldet. Das Darlehen hatte man inzwischen vollständig ausgezahlt, doch sollte Wjatscheslaw Alexandrowitsch bestätigen, dass sämtliche Bedingungen und Termine eingehalten wurden – insbesondere jene, die besagten, dass man noch in diesem Sommer das erste Öl vom Terminal verschiffen würde, die Firma also pünktlich mit der Kreditrückzahlung beginnen konnte. Sein Telefon war abgestellt, und schickte man ihm eine E-Mail, kam die automatische, etwas seltsame Antwort, es tue ihm schrecklich leid, man möge ihm bitte vergeben, doch dürfte es einige Zeit dauern, ehe er sich wieder melden könne. Auch der Kosak war plötzlich nicht mehr zu sprechen. Sergei Borisowitsch fuhr zu dem Gebäude gegenüber dem Kreml, in dem unser letztes Treffen stattgefunden hatte. Wie sich herausstellte, gehörte es einer Ölhandelsgesellschaft, die sich wiederum im Besitz eines korpulenten usbekischen Mörders befand. Man sagte Sergei Borisowitsch, vom Kosaken habe man noch nie gehört, und begleitete ihn auf die Straße. Als wir daraufhin Narodneft kontaktierten, erinnerte man uns schriftlich daran, dass Narodneft keinerlei legale Verantwortung für jedwedes Unterfangen des Joint-Venture-Unternehmens trage. Paolo sagte, es gäbe noch keinen Grund, die Banken zu beunruhigen, doch merkte ich ihm an,

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