Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eiskrieger

Die Eiskrieger

Titel: Die Eiskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
halbe Tagesreise entfernt.«
    *
    Endlich wussten wir, wo unser Ziel lag – es war einer der befestigten Häfen zwischen den Städten Caer und Fordmore, am Ende eines natürlichen Fjords gelegen, eingebettet zwischen üppig bewaldeten Hängen und gegen den Ozean durch ein breites Riff abgeschirmt, das nur auf dem höchsten Stand der Tide zu passieren war. Auf der ganzen Insel gab es kaum einen geschützteren Ankerplatz als diesen.
    Zwei schwarze Segler schaukelten sanft in der leichten Dünung. An Bord schien keine Menschenseele, aber ich wusste, dass der Schein trog. Wir wurden erwartet, denn niemand würde es wagen, Drudin und der Hälfte seiner Priesterschaft nicht den Respekt zu zollen, der ihnen gebührte. Gleichzeitig wurde mir klar, dass wir Tainnia auf dem Seewege verlassen würden. Das konnte nur bedeuten, dass unser wirkliches Ziel weit entfernt lag. Irgendwo südlich vielleicht.
    Das Gelände fiel zur Bucht hin ab. Immer schneller werdend, polterte der von den Mammuts gezogene Wagen über das lockere Geröll. Die Tiere würden das Gewicht nicht mehr lange ertragen und zusammenbrechen.
    Drudins laute Befehle hießen uns absitzen. Lange Seile wurden um die hintere Achse des Gefährts geschlungen, und wir stemmten uns mit aller Kraft dagegen. Tatsächlich verlangsamte sich die Abwärtsbewegung.
    Der Schweiß rann mir in Strömen über den Körper, brannte wie Feuer in meinen Augen und ließ alles um mich her verschwimmen. Mit beiden Händen umklammerte ich das Seil. Ich wagte nicht, es loszulassen, um mit dem Ärmel über mein Gesicht zu wischen. Nur undeutlich erkannte ich eine Bewegung bei den Schiffen. Ich vernahm leise Stimmen, die der Wind zu uns herauftrug und die in meinem eigenen hastigen Atmen untergingen.
    In unmittelbarer Nähe polterten Steine einen Abhang hinunter und lösten dabei eine regelrechte Lawine aus. Stück für Stück ließ ich Seil nach. Einer von uns stimmte einen monotonen Gesang an, der rhythmisch war wie das Aufeinanderprallen zweier hart geführter Schwerter. Von nichts anderem handelte er auch.
    Allmählich gingen mir die gleichmäßigen Bewegungen in Fleisch und Blut über. Ich ließ mich anstecken von der Melodie, vergaß meine Erschöpfung und lebte nur noch für den Augenblick. Das Ächzen des Wagens, das Knarren seiner Räder und das Stampfen der Mammuts wurden leiser.
    Das Lied verhallte.
    Ich konnte erkennen, dass das Fuhrwerk inzwischen fast am Ende des Abhangs angelangt war. In diesem Augenblick schien das Seil lebendig zu werden, bäumte sich auf wie eine Schlange und glitt so schnell durch meine Hände, dass ich es nicht mehr halten konnte. Der Hanf riss mir das Fleisch von den Knochen und verursachte ein höllisches Brennen. Feucht und klebrig spürte ich Blut zwischen den Fingern.
    Schaurig hallte das Trompeten der Mammuts durch den Fjord, dann war da nur noch das Wimmern einiger Verletzter.
    »Worauf wartet ihr?« Drudin trieb uns unnachgiebig weiter. »Der Wagen muss an Bord gebracht werden.«
    Ich hastete den Hang hinunter, stolperte über Steine, fiel, raffte mich auf und eilte weiter. Neben mir Hunderte namenloser Krieger, die wie ich dem Willen der Priester gehorchten. Ich hörte ihr Keuchen, das Geräusch ihrer Schritte, roch die Ausdünstungen ihrer Körper, aber auch den Geruch von Salzwasser und Tang, den eine frische Brise mit sich brachte.
    Doch all das nahm ich nur flüchtig wahr. Der Schwarzstein beschäftigte meine Gedanken. Welches Geheimnis barg er? Der Drang, das bestickte Tuch zu lüften, wurde erneut stärker. Selbst das Wissen um die Gefahr, die mir dabei drohte, vermochte mich nicht zu schrecken.
    Die Caer, die bei den Schiffen gewesen waren, hatten inzwischen eine Rampe aus dicken Planken errichtet. Sie spannten die zotteligen Mammuts aus und führten sie zur Seite. Den Tieren haftete nichts Großartiges mehr an; ihre Bewegungen waren langsam geworden, wie von einer tiefen Müdigkeit erfüllt.
    Abermals griffen wir nach den Seilen. Ich hätte schreien können vor Schmerz, als meine offenen Hände den faserigen Hanf berührten. Aber wir schafften es und vertäuten das Fuhrwerk am Mast. Foghard, einer der Priester, ließ uns dabei nicht aus den Augen.
    Die Pferde blieben zurück, als wir ebenfalls eingeschifft wurden. Ich hielt Ausschau nach Tramin, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Dafür sah ich etwas anderes. Drudin schritt auf die Mammuts zu, gleich darauf knickte das erste der Tiere ein und stürzte. Während es mit vergeblicher

Weitere Kostenlose Bücher