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Die Eiskrieger

Die Eiskrieger

Titel: Die Eiskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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Anstrengung versuchte, wieder hochzukommen, fiel auch das zweite. Für eine Weile peitschten ihre Rüssel noch das Gras.
    Ich suchte mir einen Platz in der Nähe des Wagens. Niemand hinderte mich daran, und obwohl mehr als dreihundert Krieger an Bord des Dreimasters gekommen waren, konnte man sich auf Deck frei bewegen.
    Drudin näherte sich. Er schien zu schweben, als er über den Laufsteg kam. Das Heck des Schiffes wurde beherrscht von einem schwarzen Altar, der aus einem einzigen Stein gehauen schien. Eine Aura des Bösen umgab ihn, und instinktiv mied jeder Krieger dessen Nähe. Drudin achtete nicht auf uns. Er trug wieder die silberrote Maske. Sein langer Mantel wischte über die Planken.
    Der Priester wandte seinen Blick gen Süden. Obwohl es kalt war, begann ich zu schwitzen. Etwas Unheimliches, Drohendes lag in der Luft, etwas, das nicht mit der Waffe zu bekämpfen war. Deutlich glaubte ich zu spüren, dass es seinen Ursprung in dem verhüllten Schwarzstein hatte. Wie erstarrt stand Drudin – jegliches Leben schien von ihm gewichen zu sein.
    Ich hörte Männer in meiner Nähe leise miteinander flüstern. Ihre Stimmen zitterten. Nur zu gut verstand ich, dass sie sich fürchteten. Unsere Welt war nicht die des Geheimnisvollen, der Magie – sie war der Kampf, für den wir lebten.
    Ein lauter werdendes Plätschern ließ mich aufmerken. Die Flut kam. Das bedeutete, dass wir bald in See stechen würden. Wohin? – Ich wusste die Antwort nicht.
    »Besetzt die Ruderbänke!« Drudin gab seine Befehle, ohne sich vom Altar abzuwenden. Die Arme reckte er in die Höhe, als wolle er nach dem Himmel greifen.
    Dann knarrten die Riemen, die Ruderblätter tauchten ein. Langsam glitt unser Schiff dahin, drehte und nahm Kurs auf die schmale Fahrrinne zwischen den Felsen. Eine Strömung trug uns aufs Meer hinaus. Wir setzten die Segel, die sich knatternd im Wind blähten. Danach gab es nichts mehr zu tun, was die Erschöpfung und die bleierne Müdigkeit vergessen ließ, die uns in allen Knochen steckte. Die meisten schliefen auf der Stelle ein. Nur ich kämpfte mühsam dagegen an.
    Fünf Schritte…
    Allein diese kurze Entfernung trennte mich von dem Schwarzstein. Noch zögerte ich, aber schließlich siegte meine Neugierde. Ich sah mich um. Von den Kriegern in meiner Nähe war keiner mehr wach. Und Drudin schien regungslos nach Tainnia zu starren, das irgendwo im Dunst des sinkenden Tages verborgen lag.
    Vorsichtig erhob ich mich. Sollte ich…?
    Nein – ich ließ mein Schwert in der Scheide stecken. Irgendwie ahnte ich, dass es mir nicht würde helfen können.
    War es Angst, die mir die Kehle zuschnürte?
    Inzwischen war ich so weit gegangen, dass ich mich für immer der Feigheit bezichtigen musste, würde ich jetzt umkehren. Mit jedem Schritt wurde das Böse stärker, das mich wie ein unsichtbarer Schleier umfing. Als meine Fingerspitzen das Tuch berührten, war ich auf das Schlimmste gefasst. Doch nichts geschah. Keine erneute Vision drohte mich um den Verstand zu bringen.
    Endlich lag der Schwarzstein vor mir, nackt und bloß.
    Ich sah sein Geheimnis und wollte schreien, die Stimme versagte mir ihren Dienst. Ich wollte die Hände vors Gesicht schlagen, mich abwenden – Schwarze Magie bannte mich. Bevor auch nur irgend etwas geschah, starb ich bereits tausend qualvolle Tode.
    *
    Die Sonne schwamm in einem trüben Ozean schnell dahinziehender Wolken; sie hatte ihren höchsten Stand längst überschritten. Buruna, Lamir und die Leoniter waren unbehelligt nach Parcon gelangt. Keiner fragte sie, woher oder wohin. Dieser Tage kamen viele aus dem Norden – Männer, Frauen und Kinder. Ungezählte von ihnen mit leeren Händen, mit nichts als dem, was sie auf dem Leib trugen, aber manche schleppten Hab und Gut mit sich, Dinge, die ihnen helfen sollten, in der Fremde ein neues Leben zu beginnen, und die doch nichts waren als unnützer Tand, der lediglich die Erinnerung wachhielt an die Entbehrungen einer langen Flucht, die, wenn es nach dem Willen der Caer ging, nie ihr Ende finden würde.
    Um zum Hafen zu gelangen, mussten sie nur dem Geruch nach faulendem Fisch nachgehen, der wie eine unsichtbare Wolke über den Gassen und Plätzen hing. Hier begegneten ihnen kaum noch Menschen, und die wenigen waren, ihrer Kleidung nach zu urteilen, in Parcon eingesessen. Fremde schienen diese Gegend zu meiden.
    Den Grund dafür erkannten sie, als ihr Ziel endlich vor ihnen lag. Zwischen Fischerbooten und Handelsschiffen ragten düster und

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