Die Eiskrieger
bewegungslos. Die Zeit schien stillzustehen. Gleich einem Leichentuch senkte sich die Stille herab. Selbst das stete Knarren der Planken unter meinen Füßen verstummte. Die Schiffe machten keine Fahrt mehr, wurden nacheinander vom Nebel verschluckt. Für eine Weile sah ich noch ihre Schatten; dann waren sie verschwunden. Unwillkürlich wanderte mein Blick zu dem verhüllten Schwarzstein. Dort hatte sich nichts verändert.
Ich fröstelte. Näherten wir uns dem Schiff, das uns nach Logghard bringen sollte?
Der Nebel griff nun auch nach dem Dreimaster, der uns am nächsten war. Seine Segel schienen zu zerfließen, der Rumpf schien sich aufzulösen. Graue Dunstfinger tasteten über das Wasser.
Wie mit eisigen Nadeln stach die Kälte selbst durch meine Fellkleidung. Meine Bewegungen erlahmten. Verkrampft presste ich die Arme auf den Leib, um sie vor dem Erfrieren zu schützen. Längst war die Sonne verschwunden. Die ersten Nebelschwaden streiften mich, brachten einen Hauch des Todes.
Das Meer um uns her schien zu erstarren, zu Eis zu werden. Das Geräusch splitternden Holzes drang an mein Ohr. Wurde der Rumpf unseres Schiffes bereits von dem sich ausdehnenden Eis zerquetscht? Seltsamerweise berührte mich diese Vorstellung überhaupt nicht, obwohl ich den Tod im nassen Element mehr fürchtete als alles andere.
Plötzlich ein Knirschen, ein Ruck, der mich fast von den Beinen riss. Wir waren aufgelaufen!
»Kommt!« hallte es über Deck, bevor ich mich fragen konnte, was es war, das uns aus dem Wasser hob. Cherzoon duldete keinen Widerspruch.
Mit mir kletterten Dutzende Krieger von Bord. Ohne zu fragen, was uns erwartete, ließen wir uns an Tauen hinuntergleiten. Meine Füße berührten festen Boden. Ich sah, dass unser Segler leckgeschlagen auf Kiel lag. Die Galionsfigur war verschwunden.
Weiter!
Ein unheimlicher Zwang, einen Fuß vor den anderen zu setzen, beherrschte mich. Meine Glieder waren steif. Das Blut in meinen Adern schien zu gefrieren – ein Gefühl, das sich von meinen Beinen ausgehend langsam über den ganzen Körper erstreckte. Etwas Eisiges griff nach meinem Herzen. Ich glaubte, ersticken zu müssen, als sein Schlag plötzlich aussetzte.
»Nein!« wollte ich schreien, aber mein Mund blieb stumm.
Vor, hinter und neben mir waren Tausende anderer Krieger, leblose Statuen mit Gesichtern, so bleich wie Wachs. Noch einmal schlug mein Herz, stieg in mir die bange Hoffnung auf, das Leben wiederzufinden. Dann war endgültig alles vorbei.
Würde es wirklich nur ein kalter, todesähnlicher Schlaf sein?
Ich wusste, dass wir uns auf der Scholle befanden und auf ihr gen Süden fuhren, der Entscheidung von Logghard entgegen.
*
Sie sahen viele schwarze Segel am Horizont, aber nie kam eines dieser Schiffe bis auf Rufweite heran.
Die Caer folgten dem Verlauf der Küste, die allem Anschein nach von Flüchtlingen gemieden wurde. Als die Dämmerung hereinbrach, befanden sie sich etwa auf halbem Weg zwischen Parcon und Salmacae, dort, wo die Küste einen Knick beschrieb und steile Klippen weit ins Meer hinausragten. Die Caer entfachten ein Feuer und brieten mitgebrachte Fleischstücke. Auch Buruna und Lamir erhielten davon. Es schmeckte sogar ausgezeichnet.
Die Königstochter und ihr Leibbarde genossen das Vorrecht, sich innerhalb gewisser Grenzen frei bewegen zu dürfen. Allerdings war beiden bewusst, was geschehen würde, sobald sie versuchten, sich vom Lager zu entfernen. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als das Spiel, das Buruna begonnen, fortzuführen – notfalls bis zum bitteren Ende.
»Seltsam«, murmelte die Frau, als gegen Mitternacht bis auf zwei Wachtposten alle Krieger schliefen. »Ich hätte erwartet, in dieser Region Flüchtlinge anzutreffen, deren Absicht es ist, sich einzuschiffen. Wenn ich da an Leone denke und den Ansturm, dessen König Lerreigen Herr werden muss.«
Neben ihr wälzte Lamir sich unruhig von einer Seite auf die andere. »Lass mich schlafen«, murmelte er. »Du hegst Probleme, die nicht deine sind. Vielleicht ist das Land verhext oder… Ach, was weiß ich.« Bald darauf verkündete lautes Schnarchen, dass er im Reich der Träume weilte.
Völlig unerwartet presste sich eine starke Hand auf Burunas Mund, dass sie kaum noch Luft bekam. »Still!« zischte es unmittelbar neben ihr. »Wenn du einen Laut von dir gibst, wird mein Dolch sein Ziel finden. Du hast vorhin deinen Begleiter etwas gefragt, was auch er nicht wusste. Ich will dir die Antwort geben, aber nur, damit du
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