Die Eiskrieger
bedeutete, denn der Machthunger der Caer war unersättlich. Eloard von Mardios erwies sich einen schlechten Dienst, indem er den Priester zu Hilfe rief. Was für ein Ungeheuer muss er sein, dachte die Frau, dass er unschuldige Menschen dem Verderben ausliefert. Menschen, die in seinem Reich Schutz und Frieden suchen.
Burunas Absicht war zwar gewesen, auf dem schnellsten Weg nach Logghard zu reisen, zu Mythor, aber von solch schändlichem Treiben, diesem Verrat an der Menschlichkeit, zu wissen und nicht zu versuchen, dem Einhalt zu gebieten, brachte sie nicht über das Herz. Sie vergaß dabei ganz, dass ihr, als Gefangene Tilgrans, ein baldiges Weiterkommen ohnehin nicht möglich war. Vielleicht, wenn dieser sie dem rukorischen Herrscher zum Geschenk machte…
Nach einiger Zeit erreichten sie das erste Flüchtlingslager – aus roh zugehauenen Baumstämmen errichtete Blockhütten am Rand eines kleinen Wäldchens. Jede erschien groß genug, um mindestens fünfzig Menschen ein Dach über dem Kopf und damit Schutz vor den Unbilden der Witterung zu bieten. Zehn Hütten waren es bereits, drei weitere befanden sich im Bau.
Einige der hier arbeitenden Männer kamen interessiert näher, als die Reiter ihre Pferde zügelten. »Von wo kommt ihr?« riefen sie. »Bringt ihr gute oder schlechte Kunde?«
Buruna bemerkte, dass Tilgran sich zurückhielt, während einer seiner Krieger antwortete. »Aus Tainnia«, sagte dieser. »Ein kleines Dorf zwei Tagesreisen östlich von Akinlay war unsere Heimat, bis die Caer es anzündeten und uns vertrieben.«
»Ja.« Der andere nickte. »Uns verbindet viel miteinander. Wer hätte gedacht, dass unsere Heere geschlagen werden und die Flucht ergreifen. Dennoch sollten wir uns wie ein Mann erheben und gemeinsam gegen die Eroberer antreten. Wenn alle Nordländer sich zusammentun, sind wir ihnen an Zahl um ein Vielfaches überlegen. Selbst die Magie ihrer Priester müsste dann wirkungslos bleiben.«
Mann, dachte Buruna, du redest dich um Kopf und Kragen. Verzweifelt suchte sie nach einer Möglichkeit, ihm ein Zeichen zu geben, aber entweder tat sie dies aus Furcht zu zaghaft, oder aber er verstand nicht, dass sie ihn warnen wollte.
»Werdet ihr euch bei uns niederlassen?«
Der Caer schüttelte den Kopf. »Unser Ziel liegt fern von hier«, sagte er.
»Vergesst eure Absicht, weiterzuziehen. Fremde sind König Eloard von Mardios ein Dorn im Auge. Er wollte uns längst von seinem Land vertreiben, hätten wir nicht mit dem Mut der Verzweiflung gekämpft. Viele seiner Söldner weigerten sich außerdem, wehrlose Frauen und Kinder niederzumetzeln, und zogen unverrichteter Dinge von dannen.«
»Das ehrt sie«, platzte Buruna ungewollt heraus.
»Ja«, stimmte der Mann ihr zu. »Auch wenn es in dieser Zeit danach aussieht, es sind längst nicht alle Menschen schlecht.«
»Nicht alle!« wiederholte Buruna mit ihrer Meinung nach unmissverständlicher Betonung. Aber ihr Gegenüber schien nicht darauf zu achten, und sie selbst wurde plötzlich von dem scheuenden Pferd eines Caer bedrängt. Des Kriegers grimmiges Gesicht bedeutete ihr, dass es besser, sei, fürderhin zu schweigen.
»König Eloard musste uns dieses Land gezwungenermaßen überlassen. Die Scholle ist fruchtbar, und wenn wir hart arbeiten, können wir uns innerhalb weniger Sommer ein neues Leben aufbauen.«
»Gibt es mehrere Siedlungen wie eure?«
Schlagartig begriff Buruna, welche Absichten die Caer unter Tilgran verfolgten. Sie suchten die Gegebenheiten diesseits der Grenzwälle herauszufinden, über die ihnen wohl niemand sonst Auskunft geben konnte. Deshalb hatten sie den Landweg gewählt.
Es stellte sich heraus, dass fünf weitere Gruppen sich rings um den Wald niedergelassen hatten. Unter den Flüchtlingen bestand ein eherner Zusammenhalt. Dies wurde allein schon darin offenbar, dass sie mit den Neuankömmlingen, ohne zu zögern, ihre Speisen und Getränke teilten, von denen sie selbst keineswegs reichlich hatten. Ihr Anführer, Trettan Delem, der Mann übrigens, mit dem die Caer sprachen, gab sich überaus aufgeschlossen.
Plötzlich schrak Buruna zusammen und wandte sich abrupt um. Sie verbarg ihr Gesicht in den Armen, die sie über den Knien verschränkte.
»Was ist los mit dir?« wollte Lamir wissen. Besorgnis schwang in seiner Stimme mit.
»Hast du ihn nicht gesehen?«
»Wen?«
»Golert!«
Lamir schwieg überrascht. Nur sein heftiges Atmen verriet, dass er sich der Gefahr bewusst war, in der sie schwebten. Sobald
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