Die Eiskrone
konnten. Es ist ein verfluchtes Land, und niemand geht freiwillig dorthin, weil jeder Angst hat vor dem Fluch. Früher einmal war es eine große Nation, die viele Schiffe besaß. Die Hauptstadt Arth war eine reiche Handelsstadt, und jetzt ist sie nichts mehr als nur dürre, unfruchtbare Wüste. Wenn noch jemand dort lebt, dann sind es keine Menschen mehr …
Aber die Eiskrone wurde ja nicht zerstört, denn dann hätte Reveny dasselbe Schicksal getroffen. Diese Hoffnung hält uns aufrecht. Wir müssen die Eiskrone finden!«
»Mir scheint, daß jene, die das Versteck der Krone kennen, gar nicht wünschen, daß sie gefunden wird, nachdem dein Vater und seine Brüder starben. Und nachdem dir nun das zugestoßen ist …«
»Ja.« Die Prinzessin preßte die Lippen aufeinander. »Ich habe zwar keinen Beweis, glaube aber zu wissen, daß Reddick dahintersteckt. Ich hätte es allerdings nie für möglich gehalten, daß er mich aus Hitherhow wegholt, denn jeder wußte ja, daß ich dort war. Eine verzweifelte Lage muß ihn zu dieser Tat getrieben haben. Es könnte sein, daß er diesen Tunnel zu schützen versucht. Roane, findest du nicht auch, daß es hier wärmer ist?«
Ludorica blieb stehen und streckte ihre Hand aus, als wolle sie die Wand berühren, doch sie vollendete die Geste nicht.
Sie hatte recht. Anfangs war es im Tunnel sehr kühl gewesen, aber jetzt war es so angenehm warm wie im schönsten Sonnenschein. Roane berührte die Wand. Von ihr schien die Wärme auszugehen, und sie glaubte auch ein leichtes Vibrieren zu spüren.
Erregung packte sie. Konnten hier frühere Forschungsgruppen irgendwelche Einrichtungen geschaffen haben, die sogar noch funktionierten? Auf anderen Welten, auf Limbo und Arzor, hatten sie solche Entdeckungen gemacht. Traf ihre Vermutung zu, dann standen sie vor einem der größten Funde, der je gemacht worden war! Den Entdeckern wurde dann alles verziehen, auch ernstliche Verstöße gegen die strengsten Regeln. Damit war vielleicht ihr Problem gelöst.
»Was ist?« fragte Ludorica, die Roanes Mienenspiel beobachtet hatte.
»Ich weiß es noch nicht … Aber wer ist Reddick, und warum will er die Krone verstecken?«
»Da der König Olavas Sohn nicht als königlichen Prinzen anerkannte, erhob er ihn in den Adelsstand und verlieh ihm auf Lebenszeit die Herrschaft über Hitherhow. Dieses Recht muß in jeder Generation erneuert werden. Reddick ist sein Enkelsohn. Deshalb kennt er vielleicht auch das Geheimnis des Verstecks. Wenn ich die Krone finden könnte, dann hätte Herzog Reddick keine Chance. Vor dem Tod des Königs oder solange ich lebe, könnte er nicht nach der Krone greifen …«
»Solange du lebst«, wiederholte Roane nachdenklich.
»Du meinst … Aber natürlich! Er verfolgte einen doppelten Zweck. Man mußte mich daran hindern, die Krone zu suchen oder sie zu finden, und das heißt also …« Ihr Gesicht drückte jetzt nicht nur Entschlossenheit und Zorn, sondern auch Angst aus.
»Roane, ich habe König Niklas seit fünf Tagen nicht mehr gesehen. Er sagte mir, ich müsse mich beeilen, die Krone zu finden, und er gab mir alle Hinweise, die von meinem Vater und seinen Brüdern stammen, die alle selbst die Krone gesucht haben. Vielleicht ist er inzwischen noch kränker geworden. Reddick würde es wissen. Wenn der König noch handeln könnte, wie er wollte, hätte es der Herzog niemals gewagt, mich aus Hitherhow zu entführen.«
»Hast du einen Menschen, auf den du dich verlassen kannst?«
»Niemand kennt das Geheimnis der Krone. Wenn ich aber Yatton oder die Grenze erreichen könnte, nachdem ich die Krone gefunden habe, dann kann ich freier atmen. Meine Mutter war eine Prinzessin von Leichstan. Sie starb allerdings bei meiner Geburt, und der jetzige Herrscher ist nur ein entfernter Verwandter von mir. Trotzdem kann ich mich auf die Blutsverwandtschaft berufen, und jeder von den Lords muß denen helfen, die eine Krone tragen.«
Sie leuchtete mit der Lampe tiefer in den Tunnel. »Komm! Wenn sie hier ist, dann muß ich sie finden, und das sehr bald!«
Aber im Strahl der Lampe erkannte Roane eine Veränderung an der Wand zu ihrer Rechten. Ihre Finger strichen plötzlich über ein transparentes Material. Eine Installation – etwas anderes konnte es nicht sein! Ganze Reihen von Maschinen, an denen bunte Lichter blinkten. Sie drückte ihr Gesicht an das Glas und versuchte etwas von dem zu erkennen, was dahinter lag. Es war aber nicht hell genug, und dazu störten sie die bunten
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