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Die Eiskrone

Die Eiskrone

Titel: Die Eiskrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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Wasser! Sie brauchte Wasser!
    Mühsam drehte sie den Kopf. Auf einem primitiven Tisch in ihrer Nähe stand ein Krug, der vielleicht Wasser enthalten mochte. Sie setzte sich auf, und es kostete sie unsägliche Mühe. Ihre Beine waren zu schwach, sie zu tragen, also kroch sie auf Händen und Füßen zum Krug. Mit zitternden Händen griff sie danach, doch sie war so ungeschickt, daß sie die Flüssigkeit nicht nur in ihren Mund goß, sondern sie über Kinn und Kleidung verschüttete. Aber die Flüssigkeit half ihr aus der Benommenheit.
    Sie befand sich in einem winzigen Raum mit einem vergitterten Fenster. Die Mauern waren aus Stein. Sie hatte auf einem primitiven Bett gelegen, und auf einem zweiten entdeckte sie Ludorica.
    Das Gesicht der Prinzessin war rot, und ihr Mantel lag auf dem Boden. Sie atmete keuchend, bewegte sich, als wolle sie etwas abwehren und murmelte etwas, das Roane nicht verstand.
    Die beiden Betten und der primitive Tisch, auf dem der Krug stand, waren die einzigen Möbelstücke. Gegenüber von den Betten befand sich eine eisenbeschlagene Tür mit einem schweren Schloß.
    Also wären sie wirklich Gefangene. Wessen Gefangene und warum?
    Vorsichtig stellte Roane den Krug ab. Ihr Kopf wirbelte, aber sie kam auf die Beine. Ihr war entsetzlich übel, doch sie kämpfte sich zum Fenster durch. Sie sah in einen Hof hinunter, der von einer hohen Mauer eingefaßt war. Dahinter erkannte sie Bäume und noch ein Stück weiter Hügel, die denen in der Nähe von Hitherhow glichen. Ein Hoffnungsfunke blitzte in ihr auf. Hatte sie mit ihrer Vermutung recht, dann konnte sie den Weg zum Lager finden.
    »Durst … Durst …«, murmelte die Prinzessin und versuchte sich aufzurichten. Sie zerrte an den Spitzen ihres Kleides, als engte es ihr die Brust ein. Der kostbare Stoff war schmutzig und verknittert.
    Roane tastete sich an der Mauer entlang zum Tisch, nahm den Krug und reichte ihn der Prinzessin. Sie trank, und als sie den Krug absetzte, war er nahezu leer.
    Mühsam stand sie auf, hielt sich an der Wand fest und legte langsam die paar Schritte zum Fenster zurück. Roane trat neben sie.
    »Weißt du, wo wir sind?« fragte sie.
    Ludorica überlegte eine Weile. »Ich weiß es nicht genau. Der Berg dort drüben, den kenne ich. Er ist eine halbe Meile von Hitherhow entfernt. Wir sind vielleicht in einer kleinen Jagdhütte – Famslaw etwa. Dann war es also Reddick.«
    »Ist das hier sein Land?«
    »Das Land naher Verwandter. Aber schau mal!«
    An einer Hofwand stand eine Kutsche mit einem bunten Emblem auf der Tür. Sie hatte verhüllte Fenster, und es mußte die sein, mit der sie gekommen waren. »Aber dieses Symbol an der Tür … Es ist das von Lord Imbert! Keine Kutsche mit diesem Emblem wird an der Grenze aufgehalten. So brachten sie uns also herüber.«
    »Warte …« Etwas tauchte aus den Tiefen von Roanes Gedächtnis auf. »Dieses Zeichen war vorher nicht an der Tür. Oder man hatte es zugedeckt.«
    »Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Es hat jedenfalls schon seinen Zweck erfüllt.«
    Von irgendwoher hörten sie ein Hornsignal, und sofort erschienen Männer im Hof, teils in grüner, teils in grauer Kleidung. Sie stellten sich in einer Reihe auf, und zwei liefen zum Tor.
    »Wie können sie es wagen!« fuhr die Prinzessin auf, und maßloser Zorn blitzte in ihren Augen. »Es ist der königliche Hornruf! Mein ist er, mein allein! Ich bin die Erbin von Reveny, ich und sonst niemand!«
    Das Tor schwang auf, und der Trompeter kam hereingeritten. Er trug über einer langen Jacke einen Mantel mit weiten Ärmeln, der mit roten und gelben Metallspitzen reich geschmückt war. Hinter ihm war ein zweiter Reiter in einer gelben Tunika. Sein Gesicht lag unter einer breiten Hutkrempe im Schatten.
    »Reddick!« rief die Prinzessin zornig. »Und er reitet hinter dem Herold des Erben! Welch ein Betrug und Verrat!« In hilflosem Zorn rüttelte sie an den Gitterstäben ihres Gefängnisses.

 
10
     
    Roane preßte ihr Ohr an die eisenbeschlagene Tür, doch sie hörte nur das Pochen ihres Herzens. Hätte sie nur eines der kleinen Spähgeräte ihrer eigenen Zivilisation gehabt! Sie ahnte nicht einmal, wieviel Zeit schon vergangen war, seit sie die Prinzessin abgeholt hatten.
    Ludorica hatte sich nicht gesträubt. Sie schien voll Zorn auf die Gegenüberstellung mit ihrem Verwandten und Gefängniswärter zu warten. Darüber staunte Roane, denn die Prinzessin hatte sonst immer einen kühlen Kopf bewahrt.
    Seit Ludorica weg war, konnte sie

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