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Die Eisläuferin

Die Eisläuferin

Titel: Die Eisläuferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Münk
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telefonieren gleich morgen früh. Sagen Sie ihr dann einfach, dass sie am Tag zuvor beschlossen habe, zurückzutreten. Und bedenken Sie, Sie werden volle Unterstützung bei der zukünftigen Therapie Ihrer Frau haben. Wir scheuen keine Kosten. Das sind wir Ihnen schuldig.«
    Man musste das Telefonat an dieser Stelle beenden, der MAV entschuldigte sich, er habe unglaublich viel zu erledigen in diesen Tagen, sorry, sorry. Er hörte noch, wie am anderen Telefon bereits der nächste Gesprächspartner begrüßt wurde, und dann das Freizeichen. Was für ein Gestrampel! Er bekam nun wirklich eine Ahnung davon, wie es seiner Frau an jedem neuen Tag ergehen mochte – sechzehn verplante Stunden, die zu einer einzigen Bewährungsprobe wurden, zur letzten Chance überhaupt.
     
    |213| Ungefähr zur selben Zeit kam der Regierungssprecher ins Büro der Büroleiterin gestürmt. Man habe ihm einfach nicht geglaubt, sagte er fassungslos. Seine Presseerklärung sei schlichtweg ignoriert worden von den geladenen Journalisten, allesamt Kenner der Materie, mildes Lächeln nur, und man habe dagegengehalten, dass das doch wohl eine ganz andere gewesen sein müsse, jedenfalls unmöglich die Regierungschefin, die da auf dem Eis gelaufen sei. Alles Montage, Animation, Cyberspace, Wahlkampf   … Herrje, der Sprecher war sprachlos, wie stehe er nun da, wenn er noch nicht einmal mehr die Wahrheit glaubhaft vermitteln könne. Die Opposition sei mittlerweile genauso ratlos.
     
    Der offizielle Termin rund um die Sondermünze war nach Plan verlaufen, hatte ein wenig abzulenken vermocht vom Presserummel draußen im Land. Man war auch nicht wirklich in Kontakt miteinander gekommen, wie konnte man das auch bei dem Anlass, hatte vielmehr nacheinander vor sich hin gesprochen.
    Beim abschließenden Fototermin mit dem Ministerpräsidenten und den Wirtschaftsvertretern war man ihr dann doch noch nahegekommen, der Mann neben ihr hatte noch Speisereste zwischen den Zähen gehabt, als sie seitlich zu ihm hinübergeschaut hatte. Und jedes noch so schwer identifizierbare Körperteil, das mit aufs Foto kommen konnte, war ein Gewinn gewesen, denn man konnte es später in die Geschäftsberichte, Kunden-Newsletter, Websites und Produktinformationen geben.
    Es war ein ungewohnt heiteres Foto geworden, denn man hatte herzlich gelacht, als sie in die Runde gefragt hatte, ob irgendjemand zufällig eine Waffe, ein Schweizer Taschenmesser, eine Packung Schlaftabletten oder das Gegenteil davon dabei habe. Denn sie wolle sich gern umbringen. Man |214| war noch näher zusammengerückt, hatte sich die Bäuche gehalten vor Lachen. Nur eine Person hatte nicht gelacht auf diesem Bild.
     
    Zumindest Herr Bodega war ihr geblieben. Sie kam sich bereits wie zu Hause vor in dem Augenblick, in dem sie auf dem Beifahrersitz Platz genommen und die Tür fest zugeknallt hatte. Sie genoss das weiche Leder, versuchte, sich locker zurückzulehnen, sich zu entspannen, denn dieses Gerangel in ihrem Kopf zog mitunter hinab in den Nacken, breitete sich über die gesamte Schulterpartie aus.
    »Wohin geht es?«
    »Ach, ich möchte jetzt einfach gern mal abgeholt werden, und ich denke, es geht zu dem Ort, von dem man sagt, ich sei da zu Hause.«
    Er warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er im Rückspiegel den Begleitwagen checkte, und ließ den Motor an. »Sie sehen nicht gut aus, gar nicht gut, wenn ich das sagen darf.«
    »Im Gegensatz zu mir befinden Sie sich ja in der glücklichen Verfassung, Zeitung lesen zu können. Also, bitte.«
    Sie spürte, dass das nur die Eröffnung gewesen war, dass ihm die eigentliche Frage auf der Zunge brannte, und sie blockte ab: »Und wie geht es Ihnen, Herr Bodega?«
    »Ich vermisse Ihre SMS.«
    »Ich vermisse noch ganz andere Dinge, glauben Sie mir.«
    »Könnten wir es vielleicht mit Textbausteinen versuchen?«
    Sie verlor die Geduld, mochte nicht mehr reden, wohl auch weil sie erkannte, dass das, was bisher nun wirklich unter ihrem Niveau gelegen hatte, jetzt eindeutig darüber lag.
    Und jetzt kam er zum Punkt: »Waren Sie das jetzt an der Ampel oder nicht? Sie haben dementieren lassen, nicht wahr?«
    |215| Er klang ein wenig enttäuscht, fand sie. Dieser Mann hatte wirklich ein Talent, in den Wunden herumzustochern. Sie zog die Beine an, verschränkte die Arme vor der Brust und sah aus dem Beifahrerfenster. Ja, es war ein Fehler gewesen, verdammt noch mal. Doch das wäre ihr nie über die Lippen gekommen. »Mir blieb nichts anderes übrig. Nun drücken Se

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