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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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letzten Sommer damit verbracht, mit den Jesuiten im Peace Corps an irgendeinem schauderhaften Ort im Südpazifik zu arbeiten. Hört sich wirklich so an, als wäre er ein interessanter Junge, und das Beste an ihm ist: Er ist Single! Wäre es nicht nett, einen Anwalt in der Familie zu haben? Ha-ha! Aber mal ehrlich, Liebes, ich denke, dass du mit diesem Jungen viel gemeinsam hast. Für den Fall, dass ich dein Interesse geweckt habe – sein Name ist Carl Simonton (ein guter katholischer Junge!!) und seine Telefonnummer lautet (312) 986-3411. Ich will dich überhaupt nicht bedrängen, Liebes. Ich gebe einfach nur die Information weiter. Eine Mutter macht sich ihre Gedanken, stimmt’s? Und ich hoffe, dass du deine Kalziumpillen und Glucosamine nimmst. Denk bloß an die lange Zeit der Osteoporose, die dir bevorsteht. War nur ‘n Witz. Tschüs, Kleines! In Liebe, Mom
     
    Maura ließ den Kopf auf die Kante des Schreibtisches sinken und seufzte tief. Sie hätte am liebsten laut geschrien. Dass ihre Mutter sich dauernd anschickte, eine Partnervermittlung für ihre Tochter zu betreiben, war zu viel des Guten. Maura liebte ihre Mutter über alles, aber manchmal hätte sie diese Frau am liebsten erwürgt. Sie griff nach ihrer Zigarettenpackung, zog den letzten, leicht gequetschten Glimmstängel heraus und zündete ihn an. Dann machte sie sich daran, eine Antwort zu verfassen:
     
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Datum: 17.3.05,11:19:12 a. m.
    Betreff: Re: Hallo, Liebling
     
    Liebe Mom!
    Danke für deine Besorgnis, aber ich habe mich entschlossen durchzubrennen und zum Zirkus zu gehen. Ich habe mich unsterblich in einen Mann ohne Extremitäten verliebt, und wir wollen heiraten. Sein Name ist Wolfgang Cockenlacher, und er ist ein richtig netter Typ – er ist praktizierender Atheist, und was seine sexuellen Neigungen betrifft, ist er der Nekrophilie zugetan. Natürlich sind da die fehlenden Glieder, aber schließlich ist niemand perfekt, oder? Er möchte mich jedenfalls zu seiner Frau machen! Was die Hochzeitsgeschenke betrifft, haben wir in «Madame Xenas Haus der Schmerzen und Bücher für S/M-Liebhaberlnnen» eine Liste auslegen lassen – aber natürlich kannst du auch Bargeld in kleinen, nicht registrierten Scheinen schicken. Wir planen unsere Hochzeit im Frühling (hauptsächlich weil Wolfy dann aus dem Knast kommt, wo er einige Zeit saß, weil die Dame mit dem Bart ihn völlig zu Unrecht als Sittenstrolch denunziert hat). Tschüssi!
    In Liebe, Maura
     
    Maura drückte die Zigarette in einer Seifenschale aus, die bereits vor Kippen überquoll. Das Zimmer war ausdrücklich für Nichtraucher ausgewiesen, aber sie scherte sich nicht darum. Sie war in letzter Zeit das reinste Nervenbündel. Besonders seit das Mumienprojekt eine völlig unerwartete und irritierende Wendung genommen hatte. Maura fragte sich, was ihre Mutter wohl sagen würde, wenn sie wüsste, dass ihre Tochter sich wie ein Schulmädchen in einen zwangsneurotischen farbigen FBI-Profiler verknallt hatte – einen Mann, der überdies auch noch verheiratet war. Maura hasste sich dafür, dass sie den Ring an Ulysses Groves Finger überhaupt bemerkt hatte. Scheiße, was stimmte nicht mit ihr? Nahm die Torschlusspanik so dramatische Züge an?
    Sie schaute hinüber zu dem überladenen Nachttisch. Zwischen den Feuchtigkeitslotions und den Lippenpflegestiften – der Frühling in Alaska hatte eine verheerende Wirkung auf Mauras empfindliche Haut – türmten sich Akten. Zum größten Teil handelte es sich dabei um Hintergrundmaterial zu mumifizierten Leichen, die man in der Vergangenheit aufgefunden hatte. Eine der Redaktionsassistentinnen vom Discover Magazine hatte ihr die Unterlagen nach Alaska gefaxt. Maura stand auf, ging zum Bett hinüber und blätterte durch die Papiere. Schließlich fand sie die blaue Plastikmappe, die Okuda ihr am Abend zuvor gegeben hatte. Darin befand sich eine E-Mail-Liste mit den Adressen führender Archäologen. Mit der Liste kehrte sie an den Laptop zurück und setzte eine Nachricht auf, die sie an sämtliche Forschungseinrichtungen auf Okudas Liste senden wollte.
     
    Von: [email protected]
    An: cc: [email protected]
    Datum: 17.03.05,11:33:07 a. m.
    Betreff: Fwd: Offene Einladung an die archäologische Forschungsgemeinschaft
     
    Sehr geehrter Dr. Patel,
    mir wurde gesagt, dass Sie und Ihre Institution mir unter Umständen bei einem ungewöhnlichen Projekt behilflich sein

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