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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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Dashiki-Hemden hinaufgekrochen war, mit denen seine Mutter ihn in die Schule geschickt hatte. Über die Jahre hinweg war es Grove gelungen, all das aus seinem Bewusstsein zu verdrängen. Er hatte diesen Abschnitt seines Lebens aus seinem Gedächtnis gestrichen, und deswegen bereitete es ihm auch nicht die geringsten Schwierigkeiten, beruflich in Chicago zu sein, ohne auch nur in Erwägung zu ziehen, seine Mutter anzurufen.
    «Ich hoffe, wir können das hier schnell hinter uns bringen.» Die Stimme von Helen Ackerman riss Grove aus seinen Gedanken.
    Die beiden Männer drehten sich um und erblickten Mrs. Ackerman am Fuß der Treppe. Sie trug einen preiselbeerfarbenen Trainingsanzug aus Velours, und um ihr ergrauendes Haar hatte sie einen Schal geschlungen. Sie konnte kaum größer als eins sechzig sein, aber mit ihrer aristokratischen Haltung, der Patriziernase und dem glühenden Blick wirkte sie fast einschüchternd. Bei jeder Bewegung rasselten die Armreifen an ihrem Handgelenk. «Ich gebe heute Abend einen Kurs in Pilates-Training im Bürgerzentrum, den ich nicht versäumen darf», fügte sie hinzu, als sie sich den beiden Besuchern mit ausgestreckter Hand näherte.
    «Wir wissen es zu schätzen, Mrs. Ackerman, dass Sie uns so kurzfristig empfangen», sagte Grove und erwiderte den Handschlag. «Special Agent Ulysses Grove.» Helen Ackermans Hand fühlte sich kühl und zerbrechlich an.
    «Das ist ein interessanter Name», entgegnete sie. «Ulysses… was ist das, Griechisch?»
    «Ich bin mir nicht sicher.» Er deutete auf Zorn. «Das hier ist Special Agent Zorn.»
    Zorn nahm seinen Hut ab, schenkte der Frau ein Lächeln und schüttelte ihre Hand. «Terry Zorn, Ma’am, es ist mir ein Vergnügen.»
    «Setzen wir uns doch», schlug Helen Ackerman vor und rief über die Schulter nach ihrer Haushälterin: «Alice! Kaffee, bitte! Ins Sonnenzimmer!»
    Sie führte die beiden Männer durch das stilvoll möblierte Wohnzimmer in einen atemberaubenden, gläsernen Wintergarten. Ein Dschungel exotischer Pflanzen erfüllte den Raum mit einem schweren, süßlichen Duft. Über ihren Köpfen prasselte der Regen auf die Bleiglasscheiben. Helen Ackerman bedeutete den Besuchern, in zwei Armsesseln Platz zu nehmen, sie selbst setzte sich auf ein zweisitziges Korbsofa neben einer Gruppe von Gummibäumen.
    «Also… rekapitulieren wir», begann Zorn die Unterhaltung. «Sie haben Ihren Ehemann seit April vorigen Jahres nicht mehr gesehen, ist das richtig?» Der Texaner balancierte den Stetson lässig auf dem Knie.
    Zorns direktes, rücksichtsloses Vorpreschen gefiel Grove ganz und gar nicht. Er zog es vor, den Leuten die gewünschten Informationen mit Fingerspitzengefühl zu entlocken, und gerade im Fall von Helen Ackerman erschien ihm eine solche Strategie erfolgversprechend. Auf dem Weg vom Flughafen hierher hatten sich die beiden Männer bereits über ihre unterschiedlichen Ansichten, was die Verhörtaktik betraf, gestritten.
    «Das stimmt», antwortete Mrs. Ackerman mit einem verstohlenen Lächeln. «Und wenn Sie die Wahrheit wissen möchten – ich weine ihm keine Träne nach.»
    Zorn musterte sie. «Sie und Ihr Mann hatten Eheprobleme?»
    «Das wäre milde ausgedrückt.»
    Grove ergriff das Wort: «Wenn Ihnen die Unterhaltung zu persönlich wird, haben wir durchaus Verständnis dafür… Dennoch würden uns die Gründe interessieren, die zu Ihrer Trennung geführt haben.»
    «Mein Mann hat niemals existiert.»
    «Wie bitte?»
    «Er war hier der unsichtbare Mann… ein Geist, der Geist im Dreiteiler.»
    Grove zog einen kleinen Kassettenrekorder aus seiner Aktentasche, sah zu der Frau auf und deutete auf das Gerät. «Sind Sie damit einverstanden?»
    Sie bedeutete ihm mit einem kurzen Nicken ihre Zustimmung.
    Grove schaltete das Diktiergerät ein und sagte: «Würden Sie uns bitte erläutern, wieso Mr. Ackerman ein Geist war, wie Sie es ausdrücken?»
    «Sie möchten, dass ich es erläutere? Aber gerne doch. Was ist das für ein Mann, der nach einem unerheblichen chirurgischen Eingriff völlig abschlafft, Viagra verschrieben bekommt, es aber niemals einnimmt?»
    Es folgte ein kurzes Schweigen. Zorn und Grove sahen sich an. «Also… Ihr Mann hatte gesundheitliche Probleme?», nahm Ulysses schließlich die Befragung wieder auf.
    «Er war stark wie ein Ochse.» Bei dem Wort Ochse verzog Helen Ackerman das Gesicht wie ein Kind, das eine bittere Medizin schlucken muss. «Er war außerdem ein Hypochonder, und als die Ärzte dann diese

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